Von Gerd Lustig Kreis Lörrach. Es gibt sie noch: Querdenker in der Politik, die ihre Meinung sagen und sich anders verhalten, auch in einer großen Fraktion wie der CDU. Mit Carsten Linnemann, Bundestagsabgeordneter und Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT), kam jetzt so ein Mann nach Rheinfelden. CDU-Bundestagsabgeordneter Armin Schuster, der Wirtschaftsrat Lörrach/Müllheim sowie auch der MIT-Kreisverband Lörrach hatten ganz bewusst jenen Abgeordneten, der als einer der profiliertesten Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels gilt, eingeladen, um aus erster Hand zu erfahren, was abseits des Fraktionszwangs möglich ist. Nach einer Betriebsbesichtigung von Semis und der Führung durch den geschäftsführenden Inhaber der Rheinfelder Aluminium, Alois Franke, präsentierte der 38-Jährige aus Paderborn seine Ansichten. Er zeigte von ihm ausgemachte Missstände und Nachholbedarf auf, frei nach dem Motto: „Deutschland kann mehr“. Sodann stellte er sich den Fragen der gut 30 Zuhörer bei der Diskussionsveranstaltung in der ehemaligen Alu-Kantine. Schnell wurde klar: Stromlinienförmigkeit ist Linnemanns Sache nicht: „Es darf nicht Ziel sein, gegen Mehrheiten anzugehen oder danach zu schielen, sondern Mehrheiten zu organisieren.“ So war es Linnemann, der unlängst gegen das Griechenland-Paket gestimmt hatte, weil er nicht glaubt, dass die 80 Milliarden Euro tatsächlich den erhofften Strukturwandel bewirken können. Eingetreten ist er vielmehr für eine geregelte Staatsinsolvenz. Zudem hat er sich für die sogenannte Steuerbremse und die Abschaffung der Kalten Progression eingesetzt. Er bemängelt, dass Unternehmer in Deutschland durch die aktuelle Politik und ein Übermaß an Bürokratie und Gesetze wie das zum Mindestlohn zu sehr gebremst werden. Es gelte, sich wieder viel mehr dem eigentlichen Geschäft zu widmen. „Welche Produkte verkaufen wir in 20 Jahren"“, diese Frage sei doch weit wichtiger als Diskussionen um Verordnungen zur Betriebssicherung. Der Kultur der zweiten Chance im Bildungswesen redete er genauso das Wort wie er sich für die Wiedereinführung des Meisterbriefs im Rahmen der Dualen Ausbildung als einen „echten Bildungsstandard“ stark macht. Dezidiert ist Linnemanns Meinung vor allem in der Flüchtlingsfrage. Weil das Thema hochgradig gefährlich sei, dürfe nichts schön geredet, sondern die Probleme müssten angepackt werden. Ein Sonderarbeitsmarkt oder auch Gedanken an ein neues Wirtschaftswunder würden wenig helfen. „90 Prozent der ankommenden Flüchtlinge sind doch auf dem ersten Arbeitsmarkt gar nicht vermittelbar und sind zunächst auf Staatshilfe angewiesen“, erklärte er. Und weiter: „Fachkräftemangel hat mit Flüchtlingen überhaupt gar nichts zu tun.“