Die rund 100 Milchlieferanten aus dem Landkreis Lörrach sorgen sich um die Auswirkungen des niedrigen Milchpreises. Unterstützung erhalten die Landwirte dabei vom Einzelhändler Hieber, der einen neuen Weg beschreitet. Von Marco Fraune Kreis Lörrach. Der niedrige Milchpreis entfacht nicht nur auf Bundesebene heiße Diskussionen, sondern auch vor Ort am kühlen Supermarktregal. Ob darin die Gut&Günstig-Frischmilch stehen soll oder nur noch die teurere Schwarzwaldmilch, können die Kunden von Hieber nun mitentscheiden. Geschäftsführer Dieter Hieber holt aktuell ein Stimmungsbild über das Soziale Netzwerk Facebook ein. „Obwohl Gut&Günstig sowie Schwarzwaldmilch beides aus der gleichen Milchgenossenschaft kommEN, bekommen die Milchbauern bei der Gut&Günstig-Milch viel weniger an jedem Liter Milch ausgezahlt“, erläutert Hieber seinen Kunden hierzu. Also sei nur bei diesen beiden Milchsorten (keine H-Milch und andere Milchprodukte) viel mehr Gut&Günstig-Milch als Marke Schwarzwaldmilch gekauft worden. Doch nun überlegt Hieber, die Billigmilch zu verbannen. „Diese Artikel aus dem Sortiment zu nehmen, kann für ein Unternehmen zum Bumerang werden. Wir wollen unsere Kunden nicht zwingen, mehr Geld auszugeben, werden aber diese Themen immer mehr reduzieren.“ Die Verbraucher hätten die Macht und die Wahlmöglichkeit am Regal, weiß Hieber, der aber um die Gefahr weiß, viel teurer als die Wettbewerber zu sein und damit Kunden an die Discounter zu verlieren. „Würden Sie, verehrte Kunden, mit uns diesen mutigen Schritt gehen und die regionalen Milchbauern bei dem Kampf gegen die Discounter unterstützen"“, will die Geschäftsführung daher wissen. Die Billigmilch einfach aus dem Regal verbannen, das will Hieber nicht, wohlwissend um die weitreichenden Folgen: „Wir haben auch die Verantwortung für unser Unternehmen und viele Arbeitsplätze.“ Schließlich fließen Zehntausende Liter Milch (siehe Info-Kasten). Auf etwa 20 Millionen Kilogramm Milch jährlich schätzt Heinz Kaufmann, Kreisverbandsvorsitzender des Badisch Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) in Lörrach, die im Landkreis produzierte Milchmenge. Vorwiegend fließe diese zur Schwarzwaldmilch. Daher freut er sich auch, dass Hieber diesen Schritt gehen will und hofft, dass die Kunden dafür grünes Licht signalisieren. „Wir können nicht zu Weltmarktpreisen produzieren“, weiß Kaufmann um die regionalen Besonderheiten wie die kleineren landwirtschaftlichen Strukturen. Dies führe auch dazu, dass die vier bis fünf Cent pro Liter mehr, welche die Landwirte hier erhalten, tatsächlich aus Ausgleich benötigt werden. Heimische Landwirte planen nächste Aktion Bei den heimischen Landwirten herrscht aktuell nicht nur schlechte Laune, sondern erst im Märze hatten diese in Lörrach mit einer Aktion die Bürger angesprochen, Lebensmittel aus der Region mehr wert zu schätzen und damit auch mehr dafür zu bezahlen. Vor den Sommerferien soll es angesichts der tiefen Milchpreise eine weitere Aktion geben, kündigt Kaufmann an. Ihm ist aber auch klar: „Die große Weltmarktlage können wir nicht verändern. Aber wir können einen Appell an die Gesellschaften und Verbraucher richten.“ Besonders leiden würden aktuell diejenigen unter den rund 100 Milchlieferanten aus dem Landkreis, die zuletzt noch kräftig investiert haben und entsprechend laufende Kredite tilgen müssen. Die Gefahr, dass vom Haupterwerb zum Nebenerwerb gewechselt werde, bestehe ebenso wie eine Komplettaufgabe. Dabei leiste die Landwirtschaft auch für die Landschaftspflege einiges. Dass Hieber die Speerspitze einer neuen Bewegung ist, so viel Euphorie legt der BLHV-Kreisvorsitzende nicht an den Tag. „Das ist illusorisch. Doch einer muss anfangen“, setzt er auf schrittweise Veränderungen. Ob der angekündigte Milchgipfel auf Bundesebene etwas bringt, stellt Kaufmann infrage. „Das ist eine schwierige Sache.“ Hoffnung macht Kaufmann neben der aktuell für die Landwirtschaft guten Witterung mit dem ausreichenden Regen auch der jüngste Aufstieg des SC Freiburg. Da Schwarzwaldmilch dort als Hauptsponsor auftrete, werde die Marke in die Welt hinaus getragen – was verkaufsfördernd wirken könne.