Kreis Lörrach „Szenario als Chance“

Die Oberbadische
Mehr Ältere und mehr chronisch Kranke sind für die Zukunft prognostiziert. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

AOK ermittelt wachsenden Pflegebedarf bis 2030 / 825 zusätzliche Pflegekräfte

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. Die Zahl der Pflegebedürftigen im stationären Bereich steigt bis 2030 um 54 Prozent auf 2837, die der ambulant versorgten um 52 Prozent auf 1731 und die Pflegegeld-Empfänger-Anzahl im Landkreis Lörrach um 31 Prozent auf 3338. Daraus resultiert: Es besteht ein zusätzlicher Bedarf an Pflegekräften von 825. Diese Prognose hat jetzt die AOK Hochrhein-Bodensee in Lörrach vorgestellt und zugleich Lösungsansätze aufgezeigt.

Obwohl die präsentierte Prognose in Anbetracht des schon jetzt bestehenden Fachkräftemangels im Pflegebereich auf den ersten Blick alarmierend erscheint, betont Uwe Daltoe, stellvertretender Geschäftsführer der AOK Hochrhein-Bodensee, dass es nicht um die Darstellung eines Horrorszenarios gehen soll. „Das Szenario sehen wir als Chance.“ Heißt: Jetzt solle das Thema angegangen werden, um die Zukunft zu gestalten. Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Kommunen einbezogen werden müssten, die Politik gefordert sei und eine Vernetzung aller Akteure beachtet werden müsse.

Eine gesellschaftliche Entwicklung, die den Versorgungsbedarf in der Pflege neben dem demografischen Wandel – mehr Ältere und mehr chronisch Kranke – verschärft, ist die das rückläufige familiäre Pflegepersonal. „Dies gilt es, zu erschließen und zu sichern“, weiß Daltoe. Speziell mit flexiblen Arbeitszeitmodellen könne die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege erhöht werden. Beratung und Begleitung sowie die Zurverfügungstellung von Unterstützungen sei hier zudem wichtig.

Den Pflegeberuf will der stellvertretende AOK-Geschäftsführer ebenso aufgewertet wissen. Dies könne nicht nur mit Imagekampagnen erreicht werden, sondern durch eine tatsächliche Steigerung der Attraktivität des Berufs. Gehalt, Bezahlstruktur, positives Job-Umfeld oder auch die Einbindung in die „Work-Life-Balance“, also dem Zusammenspiel von Beruf, Familie, Freizeit und Pflege, sei wichtig. „Der Pflegeberuf muss attraktiv sein.“ Nur ausländische Pflegekräfte ins Haus und in die Heime zu holen, sei keine Lösung.

Bei all diesen Wünschen und Forderungen stellt sich natürlich die Frage der Finanzierung, besonders da die Ausgaben für Langzeitpflege steigen. Eine Privatversicherung sei grundsätzlich ungeeignet, weil die zukünftigen Bedarfe nicht kalkuliert werden können, so der Vertreter der gesetzlichen Krankenkasse. Die Idee eines Pflegevorsorgefonds sei unausgereift, weil übersehen werde, dass der Beitragssatz auch langfristig nicht weiter sinke. „Notwendig ist der Ausbau der umlagefinanzierten Sozialversicherung“, spricht sich Daltoe für eine Bürgerversicherung in der Pflege aus. Zum Abbau der vielfachen Risikoselektion sei eine Integration von Sozial- und Privatversicherung wünschenswert.

Die Beitragssatzsteigerung von 0,5Prozent bei der Pflegeversicherung zu 2015 wertet der Krankenkassenvertreter als ein positives Signal. Doch für eine Nachhaltigkeit brauche es strukturelle Veränderungen, betont der stellvertretende AOK-Geschäftsführer.

Den Pflegebedürftigkeitsbegriff sieht er als überholt an. Man müsse weg von der Zeitvorgabe bei der Pflege. Die AOK stehe für eine schnelle Erprobung einer neuen Begutachtungssystematik bereit. Auch neue Versorgungskonzepte hat der stellvertretende Geschäftsführer schon im Blick, wie Alten-WG, Prävention und Rehabilitation zur Vermeidung beziehungsweise der Verzögerung von Pflegebedürftigkeit und einiges mehr.

Datoe betont insgesamt: „Wir müssen die Realität jetzt anerkennen, ohne Negativismus. Jetzt gilt es, die Strukturen bedarfsgerecht aufzubauen.“ Ziel sei, den Menschen ein langes, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Der letzte Ausweg ist die vollstationäre Pflege.“

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