Kreis Lörrach Wenn das Spielen zur Sucht wird

Die Oberbadische
Die Spielsucht wird häufig erst nach einigen Jahren für Angehörige und Freunde erkennbar. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Aufklärung: 2200 Spielsüchtige im Landkreis / Tendenz deutlich steigend / Jugendliche suchen Glück

Von Marco Fraune

Die Zahl der Spielsüchtigen steigt seit Jahren kontinuierlich. Die Beratungsstelle für Erwachsene erreicht betroffene Frauen und Migranten schlechter als Männer. Die Jugendlichen sehen im Spielen das ansonsten verlorene Glück, weiß die Villa Schöpflin.

Kreis Lörrach. Zwischen einem und 1,4 Prozent der Erwachsenen gilt in Deutschland als spielsüchtig. Im Landkreis Lörrach sollen es etwa 2200 Betroffene sein. Die dortige Beratungsstelle des baden-württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation (bwlv) wurde im vergangenen Jahr aber „nur“ von 38 Betroffenen und drei Angehörigen aufgesucht. Zu 95 Prozent handelte es sich um Männer zwischen 20 und 30 Jahren, die fast alle berufstätig sind. Die Hälfte lebt in festen Beziehungen, bei einem Drittel befinden sich zudem Kinder im Haushalt.

„Spielsucht lässt sich sehr gut verbergen“, berichtete Rebekka Steimle, Leiterin der Fachstelle Sucht des bwlv, im Kreis-Sozialausschuss. „Die Menschen funktionieren trotz ihrer Sucht lange Zeit gut.“ Es brauche erst „Stolpersteine“, bevor sich die Spielsüchtigen an die Experten wenden. Besonders schwer erreicht das Beratungsteam Frauen sowie die Süchtigen mit Migrationshintergrund.

Und die Zahl der Spielsüchtigen steigt weiter, bemerkt Steimle schon jetzt. So seien bis Mitte Februar bereits so viele Betroffene in die Beratung gekommen wie in einer Hälfte des Jahres 2015.

Das Thema Spielautomaten spielt bei den Erwachsenen eine sehr große Rolle, noch sehr wenig hingegen das Onlinespielen, heißt es von Seiten der Berater.

Die spielsüchtigen Jugendlichen, die Hilfe von der Villa Schöpflin erhalten, zocken nicht nur am Computer und an Automaten, sondern haben so gut wie alle auch eine App mit Sportwetten auf ihrem Smartphone. Social Gambling (Online-Spiele über die Sozialen Netzwerke) spiele eine große Rolle. Darüber berichtete Peter Eichin, Geschäftsführer der Villa Schöpflin, in dem Kreis-Gremium. Die Jugendlichen würden denken, dass sie Einfluss und eine Chance auf den Gewinn haben. Vor allem perspektivlose junge Männer sind offenbar von der Sucht betroffen. Eichin: „Je schlechter die Perspektive, je größer der Wille, woanders das Glück zu suchen.“

Der Spielsucht ein Stück weit entgegen wirken will seine Institution durch das Projekt „Joker“, das wissenschaftlich begleitet auch über eine App Zugang zu den Jugendlichen bekommen könnte. Aufklärung und Veränderung der Verhaltensweisen ist das Ziel.

Zugleich glaubt Stefan Grüter (CDU) angesichts von Millioneneinnahmen durch die Glücksspielsteuer nicht, dass die aufgestellten Automaten in der Region abgebaut werden. 2,5 Millionen Euro würden allein in Weil am Rhein durch die Abgabe in die Stadtkasse fließen. Dabei kennt auch der Oberbürgermeister aus der Nachbarstadt Lörrach, Jörg Lutz (SPD), die Folgen: „Glücksspiel wird zum Unglücksspiel.“ Es gelte, die Kinder stark zu machen, damit sie dann gegen schlechten Einflüsse immun seien.

Hinsichtlich der Therapierbarkeit sieht Steimle nicht allzu schlechte Aussichten. „Die Hälfte der Betroffenen haben sehr gute Perspektiven.“ Doch die Spielsucht müsse behandelt werden. Den Zugang für Jugendliche zu den möglichen Spielstätten gelte es zu erschweren, betonte Eichin.

Dass der Sozialausschuss eine „scheinheilige Diskussion“ führe, monierte Johannes Foege (SPD). So würden zur besten Sendezeit die Lottozahlen gezogen. Auch siedele der Gesetzgeber die Gewerbefreiheit höher als den Suchtaspekt an, verweist er die zahlreichen Spielgeräte in den Städten. „Ich bin ratlos“, sagte der SPD-Kreisrat daher mehrmals. „Wir basteln an den Auswirkungen.“ Es gebe keine Möglichkeit, das Problem an der Wurzel zu packen.

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