Kreis Lörrach „Wir Jäger tragen eine Verantwortung“

Die Oberbadische
Kreisjägermeister Dietrich Brombacher (v.l.) stellte sich den Fragen von Marco Fraune und Michael Werndorff. Fotos: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Letzter Teil der Serie „60 Jahre Kreisverein Badische Jäger Lörrach“ / Dietrich Brombacher: „Image zum Teil selbst verschuldet“

Kreis Lörrach (wer/mcf). Die Badischen Jäger Lörrach feiern am morgigen Sonntag auf Schloss Bürgeln ihr 60-jähriges Bestehen – und 50 Jahre als eingetragener Verein. Im letzten Teil unserer Serie blickt Kreisjägermeister Dietrich Brombacher kurz zurück und voraus. Speziell zur Diskussion um das Landesjagdgesetz haben Michael Werndorff und Marco Fraune dem Jäger aus Efringen-Kirchen auf den Zahn gefühlt.

In den vergangenen sechs Jahrzehnten hat sich die Gesellschaft verändert – und mit ihr auch die Jägerschaft und ihr Umfeld. Was sind die größten Unterschiede, die Sie bei einem kleinen historischen Abriss feststellen?

Die frühere Jägerschaft war eher von elitärem Charakter geprägt, auf alten Bildern noch erkennbar an der bei Gesellschaftsjagden getragenen Kleidung mit Schlips und weißem Hemd. Die Zusammensetzung der heutigen Jägerschaft umfasst alle sozialen Schichten der Bevölkerung. Akzeptanz und Achtung der Gesellschaft haben sich heute eher zu einer kritischeren Einstellung zur Jagd gewandelt. Was das jagdliche Umfeld betrifft, haben sich enorme Veränderungen ergeben, beispielsweise bei der Feldbewirtschaftung, der Strukturveränderung der Wildpopulation, beim dezimierten Niederwildbestand und dem sich stark vermehrenden Schwarzwild, bei der enormen Ausweitung von Freizeit und Touristikaktivitäten.

Und was hat sich im Wald getan?

Wenn man mit älteren Jägern redet, wird oft erzählt, dass es früher einen höheren Wildbestand gab. In früherer Zeit war das Rehwild dominant, mittlerweile hat sich das Verhältnis hin zum Schwarzwild verschoben. Rotwild gibt es in unserer Region praktisch nicht, da sich im Landkreis Lörrach kein ausgewiesenes Rotwildgebiet befindet. Behördliche Abschusspläne für bewirtschaftete Wildarten wie Reh- und Gamswild sorgen für eine tragbare Wilddichte, die in den jeweiligen Gebieten für die Walderneuerung noch annehmbar ist. Daraus ergibt sich auch eine Notwendigkeit zur Jagd, die zudem gesetzlich verankert ist.

Einige Jagdkritiker sagen, dass man den Wildbestand größtenteils sich selbst überlassen solle. Eine Forderung, die auch bei den Verhandlungen zur Novelle des Landesjagdgesetzes für heftige Diskussionen sorgt. Können Sie die Flinte ins Korn werfen?

Nein, das können wir nicht. Die Natur kann man nicht sich selbst überlassen. Das geht heute schlicht nicht mehr von alleine, auch insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen der Forstwirtschaft. Rot- und Rehwild haben keine natürlichen Feinde. Deswegen muss der Jäger eingreifen, um den Wildbestand entsprechend zu regulieren, was in Absprache mit dem Landratsamt und den Forstbehörden geschieht. Hinzu kommt, dass in den meisten Jagdpachtverträgen die finanzielle Wildschadensverantwortung dem Pächter übertragen wurde. Das gilt sowohl für die Situation im Feld als auch im Wald.

Ein generelles Fütterungsverbot fordern die Grünen im Landtag Baden-Württembergs und der Naturschutzbund. Was wären Ihrer Ansicht nach die Folgen eines solchen Verbotes?

Grundsätzlich geht es dabei um das Rehwild, welches mit einer gezielten, den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Fütterung vor dem Hungertod geschützt und vom Verbiss abgelenkt werden kann. Wenn nicht gefüttert wird, steigen Mortalität und Winterverbiss an, das heißt die Schäden an Bäumen nehmen zu. Darüber hinaus ist es einfach nicht nachvollziehbar, weshalb ein Fütterungsverbot für Reh- aber keines für Rotwild erlassen werden soll. Es herrscht immer noch der Irrglaube, dass auch das Schwarzwild gefüttert wird. Die Jagd auf Schwarzkittel wird auf Drückjagden und an so genannten Kirrungen ausgeübt. Das sind Lockfütterungen, wo eine gesetzlich beschränkte kleine Futtermenge zum Anlocken des Wildes ausgebracht werden darf.

„Lenkung des Bestandes“ bedeutet also nicht nur Abschuss.

Wir Jäger tragen eine Verantwortung für die Kreatur. Die Jagd hat nicht nur den Aspekt zu töten, was uns viele Kritiker vorwerfen, sondern wir hegen das Wild. Wenn man ansehen muss, wie in schneereichen Wintern das Rehwild in den Höhenlagen schlicht und einfach verenden muss, dann ist ein Fütterungsverbot nicht nachvollziehbar.

Sie sehen sich persönlich als Tier- und Naturschützer?

So kann man das sagen. Jeder Jäger, der bei uns auf die Jagd geht, ist staatlich geprüfter und ausgebildeter Jäger mit einer sehr anspruchsvollen Ausbildung und Prüfung einerseits, andererseits ist er auch Naturschützer. Der Landesjagdverband ist ein anerkannter Naturschutzverband.

Einige Medien zeichnen ein negativeres Bild. Auch sonst ist das Image nicht gerade auf Hochglanz poliert.

Ja, leider! Das ist zum Teil auch selbst verschuldet, weil die Jägerschaft in der Vergangenheit nicht genügend die Öffentlichkeit gesucht hat. Aber in Sachen Öffentlichkeitsarbeit sind wir mittlerweile gut aufgestellt. Gerade in letzter Zeit ist dies auf allen Ebenen stark ausgeweitet worden. Wir haben bei vielen Gesprächen im Rahmen der Novellierung des Landesjagdgesetzes mit Politikern und der Bevölkerung festgestellt, dass über die Jagd und deren Zusammenhänge vielfach große Unwissenheit herrscht, bei der Stadtbevölkerung ausgeprägter als in ländlichen Gebieten.

Wie äußert sich diese Naturferne?

Viele Menschen sind sich über die Folgen ihres Handelns im Wald gar nicht bewusst. Zum Beispiel ist nächtliches Schneeschuhwandern abseits der Wege wegen der extremen Störung des Wildes inakzeptabel. Die Konsequenzen für das Wild in der Winterzeit werden dabei ignoriert. Ein anderes Beispiel ist die Unbekümmertheit von Haustierbesitzern, die ihren Hund von der Leine lassen. Auch im Frühjahr, einer Zeit, in der das Jungwild unterwegs ist, kann das negative Folgen haben.

Können Sie den Wunsch verstehen, ein Abschussverbot für wildernde Hunde gesetzlich zu verankern?

Nein, da es hier ja primär darum geht, wildlebende Tiere zu schützen. Diese Diskussionen sind in den Medien stark überbewertet worden. Einzelfälle haben für große Empörung gesorgt. Der Normalfall sieht aber ganz anders aus: Erwischt man einen Hund beim Wildern – viele Hunde haben übrigens einen ausgeprägten Jagdtrieb – geschieht das meist nicht zum ersten Mal. Daher kennt man in der Regel den Hundebesitzer, den der Jäger auf die Situation aufmerksam macht. Sollte sich dennoch keine Besserung einstellen, besteht die Möglichkeit, eine Meldung beim Verpächter und der zuständigen Behörde zu machen, mit dem Hinweis, dass im Wiederholungsfall zum Schutz des Wildes zur Waffe gegriffen wird. In der Regel ist der Wiederholungsfall aber ausgeschlossen.

Zur Novelle des Jagdgesetzes: Speziell für den Landeskreis Lörrach, welcher Punkt ist Ihnen für die Region besonders wichtig? Wo muss auf jeden Fall im Sinne des Landkreises und der verbreiteten Tiere gehandelt werden?

Einen Punkt haben wir bereits angeschnitten, das ist die Fütterung. Ein weiterer wichtiger Themenkreis sind das Schwarzwild und die Wildschäden. Wenn wir dort eine Einschränkung der Jagdzeiten hinnehmen müssten, würde es zu einem Anstieg der Population führen, der später nur schwer beizukommen sein wird. Pro erlegtem Tier werden zwischen fünf und zehn Ansitze benötigt. Was das Thema Wildschäden betrifft, muss sich zwangsläufig etwas ändern, der Landesjagdverband hat im Rahmen der Novellierung einen Lösungsansatz vorgeschlagen, die Etablierung einer Wildschadensersatzkasse. Was wir in Zukunft dringend benötigen, sind zeitgemäße und gerechte Jagdpachtverträge.

Wie hoch können die finanziellen Schäden im schlimmsten Fall sein?

Das ist revierbezogen sehr unterschiedlich. Im Kreis Lörrach haben wir mehrere Reviere, in denen die Wildschäden im vierstelligen Bereich liegen. Hierbei handelt es sich überwiegend um Mais- oder Weizenschäden. Auch in den Reben entstehen vermehrt Schäden: Öko-Weinberge regionaler Selbstvermarkter haben zum Beispiel eine Einsaat zwischen den Rebenreihen, die dem Rehwild natürlich schmeckt. So kommt es auch zu Verbiss an den Reben. Die finanziellen Konsequenzen gehen in Baden–Württemberg zu Lasten der Jäger. Im Wiesental verzeichnen wir eher Wald-, in anderen Regionen mehrheitlich Feldschäden. Riesige Anbauflächen, in denen sich das Wild in der Vegetationsperiode verstecken kann, erschweren die Bejagbarkeit. Hier sollten die Bewirtschafter mit in die Verantwortung genommen werden. Durch die zunehmende finanzielle Belastung der Jagdpächter wird es in Zukunft vermehrt Probleme bei der Verpachtung der Reviere geben.

Auf Landesebene sind die Fronten zwischen Tier- und Naturschutzverbänden einerseits und der Jägerschaft andererseits ein Stück weit verhärtet. Wie ist es um das Verhältnis zu Naturschutzverbänden hier vor Ort bestellt?

Auf regionaler Ebene pflegen wir ein sehr gutes Miteinander. Man kann sagen, es findet eine enge Zusammenarbeit statt, so zum Beispiel in der Arbeitsgemeinschaft der Natur- und Umweltorganisationen, in der unsere Naturschutzreferentin die Jägerschaft vertritt. Vertreter verschiedener Organisationen haben sich bei Revierbegehungen ein Bild von unserer Arbeit gemacht. Positiv überrascht war man seitens der Umweltverbände von der geleisteten Biotoparbeit. Auch die Zusammenarbeit mit den Tierschutzvereinen funktioniert sehr gut.

Der 60. Geburtstag, das ist auch immer der Moment, sich ein Geburtstagsgeschenk zu wünschen. Wie wird sich die Kreisjägerschaft im Landkreis künftig darstellen? Welche Veränderungsprozesse wird es noch geben?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Aber ich mache es einmal an der Jungjägerschaft fest: Gerade im Kreis Lörrach haben wir eine unverändert hohe Nachfrage zum Vorbereitungskurs zur staatlichen Jägerprüfung. Besonders erfreulich ist, dass sich jagdunkundige und kritisch eingestellte Menschen zum Jägerkurs anmelden. Weil sie eben wissen wollen, was eigentlich Sache ist. Insgesamt sehe ich die weitere Entwicklung optimistisch, vor allem, weil wir auch immer mehr Frauen und jüngere Teilnehmer in unseren Reihen begrüßen dürfen. Bezüglich des Freizeitdruckes werden wir im Wald keine Entlastung bekommen. Waldbesucher sollten sich den Naturbedürfnissen adäquat verhalten. Wenn die derzeit kontrovers diskutierte Gesetzesnovelle ein Stück dazu beitragen könnte, wäre das positiv.

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