Kreis Lörrach „Wir mögen alle das, was wir tun“

Die Oberbadische
Die Altenpflege muss mit Leidenschaft betrieben werden, sind sich ehemalige Berufsfachschüler einig - trotz Problemen. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

25 Jahre Berufsfachschule für Altenpflege / Entwicklung der Außenstelle Schopfheim / Karrierewege und Hürden in der Pflege

Von Marco Fraune

Kreis Lörrach. „Sehr spannend.“ Kein Lehrplan, nicht so viel Schreibkram und mehr Zeit für die Menschen. Anna-Rosa Debes-Yapar schildert die Anfangsjahre bei der Berufsfachschule für Altenpflege. 1987 drückte sie als Pionierin die Schulbank. In diesem Jahr feiert sie gemeinsam mit anderen Ehemaligen und Aktiven das 25-jährige Bestehen der Einrichtung – und blickt zugleich auf die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft.

Heute ist Debes-Yapar selbst Lehrerin an der Fachschule, wie von der ehemaligen Leiterin Marie-Luise Müller prognostiziert, die bis zum Jahr 2000 die prägende Kraft war. „Sie sagte schon bei der Ausbildung, dass ich als Lehrerin wiederkomme.“ Seitdem hat sich in der seit 1992 als Außenstelle Schopfheim der Mathilde-Planck-Schule Lörrach geführten Einrichtung und in den Bildungsgängen selbst vieles verändert.

Klar, einen Lehrplan gab es schon wenige Jahre nach dem Start. Der Anspruch der Ausbildung wurde aber auch höher und theoretischer. Geringer fällt mittlerweile das Zeitbudget für die Arbeit am und mit dem Menschen aus, wie die ehemaligen Schüler der Berufsfachschule bedauern, die unter dem Motto „Was aus uns geworden ist“ zu einem Pressegespräch zusammen gekommen sind. Gut sei hingegen, dass seit 2003 ein bundeseinheitliches Gesetz für die Berufszweig-Ausbildung gelte. „Das hat man in wenigen Bereichen“, freut sich Abteilungsleiterin Gabriele Marx.

Der Pflegedienstleiter im Markus-Pflüger-Heim, Holger Albes, hat von 1997 bis 2000 die theoretische Ausbildung in der Altenpflege in der Schopfheimer Außenstelle absolviert. Krankenpfleger, Altenpfleger und Therapeuten sitzen bei Familientreffen mit ihm an einem Tisch. Sein Weg führte letztlich von der Kranken- in die Altenpflege. „Und ich habe an der Altenpflege Gefallen gefunden“, schätzt er seinen aktuellen Job.

Doch auch kritische Stimmen an diesem Beruf werden in der Runde der Altenpfleger häufig laut, obwohl alle mit Leidenschaft arbeiten. „Man hat wenig Zeit für Menschen“, erklärt Pia Offenwanger, die im Georg-Reinhardt-Haus in Schopfheim Dienst tut. Viele Dokumentationsaufgaben stünden dem intensiveren Kontakt mit den Bewohnern im Wege. „Der Zeitdruck ist auf jeden Fall größer geworden“, bemängelt auch Natalie Stenzel. Die Fachkraft aus dem Bürgerheim Rheinfelden kennt die Imperative, denen sie unterliegt. Die Bewohner erwarten Qualität, die Heimaufsicht sitzt stets als Kontrollinstanz im Nacken, der Medizinische Dienst der Krankenkassen ebenso. „Wir dürfen uns keine Fehler erlauben.“ Die Bewertung ist außerdem noch für Interessierte einsehbar im Internet öffentlich hinterlegt.

Im Demenz-Bereich des Pflegeheims Markgräflerland, Weil am Rhein, kann Alexandra Bauer (Schülerin der Schopfheimer Außenstelle von 2007 bis 2010) zumindest mit ausreichend Kollegen zusammen arbeiten, da der Stellenschlüssel günstiger ausfällt. „Wir können noch mehr Zeit für Bewohner nutzen.“ Knackpunkt sei natürlich die Refinanzierung. Und auch hier locke natürlich das Nachbarland Schweiz. „Der Hauptgrund für einen Wechsel ist das Geld.“

Vom „enormen Druck“ bei der Arbeit berichtet auch Albes. Dies sei auch im Markus-Pflüger-Heim,Schopfheim, ein Grund, warum Fachkräfte schwer zu gewinnen sind. „In den Sozialstationen wird besonders über Personalmangel geklagt“, weiß Elisabeth Schade-Aniran, die bei der Stadt Rheinfelden angestellt ist.

Für Marx ist die Entlohnung im Altenpflegebereich auch ein entscheidender Punkt, an dem es hapert. „An der Bezahlung sieht man, was der Gesellschaft der Beruf wert ist.“ Für Doris Hüfner, die in den 1990er Jahren ihre Ausbildung absolviert hat, steht daher fest: „Man muss Idealist sein.“ Und Alexandra Bauer ergänzt: „Es ist ein Beruf, den man nicht wegen des Geldes macht.“

Unterschiedliche Auffassungen werden hingegen bei der Bewertung der Schweizer Altenpflege deutlich. Während sich Hüfner noch erschüttert zeigt, wie viel Geld bei den Eidgenossen zur Verfügung steht, wie viel Personal eingesetzt wird und es dennoch an der Qualität mangele, steht spontan eine dort arbeitende Kollegin auf, um dieses negative Bild wieder mit positivem Anstrich zu versehen.

Während es die Deutschen in die Schweiz zieht, um die Alten zu pflegen, sind es in Deutschland Rumänen und andere Osteuropäer, die in einigen Seniorenwohnheimen personelle Engpässe ausgleichen. „Von der Qualität sind die gut, aber die Sprache ist ein Problem“, hat Stenzel schon Erfahrungen mit zwei Fachkräften aus Ungarn sammeln können. Dass die deutschen Fachkräfte für ihre ausländischen Kollegen die Pflegedokumentation mit erledigen müssen, sei der falsche Weg.

An jeder Ausbildungsbörse vertreten ist die Berufsfachschule für Altenpflege, erklärt Marx. Auch mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie auf dem Lörracher Marktplatz wurde schon versucht, auf den Fachkräftemangel in dem Altenpflegebereich hinzuweisen. „Der Run auf den Beruf ist nicht ausgelöst worden“, kennt Marx die fehlenden Früchte der Bemühungen.

Dabei betonen die Altenpfleger alle die Vielseitigkeit ihres Berufs und die verschiedenen Karrieremöglichkeiten, die dort endeten, wo es der einzelne wolle, betont Albes – und erntet dafür von dem auf den Zuschauerstühlen sitzenden Altenpflegenachwuchs spontan Beifall. Auch er will nicht nur klagen. „Wir mögen alle das, was wir tun. Der Beruf bringt uns sehr viel.“

Und welche Rolle spielt dabei die seit 25 Jahren bestehende Berufsfachschule in Schopfheim? Für Pia Offenwanger ist klar: „Die Schule hat mich auch menschlich weiter gebracht.“ Hinzu komme das vermittelte Wissen, inklusive des fachlichen Hintergrundwissen für Beratungsgespräche mit Angehören. Für Albes war es die Tatsache, dass es ihm nicht mehr schwer fällt, den Bereich „Aktivierung der Bewohner“ mit Leben zu füllen. Denn Altenpflege bedeute auch Gedächtnistraining und so einiges mehr.

Die Aufgaben der Zukunft sind angesichts des demographischen Wandels schon vorgezeichnet, wissen auch die Altenpfleger. Zum „neuen Kompetenzspektrum“, wie es Fachlehrerin Dr. Anne Kellner bezeichnet, gehörten die Beratung von Alten und Angehörigen, die Begleitung von Mitarbeitern durch Fachpersonal oder auch die Anleitung von Hilfskräften. „Das Standbein der Altenpflege wird sehr breit werden.“ Den Mix aus mehr, aber auch flexiblerer Unterstützung durch Angehörige und klassischer Pflege sieht Schade-Aniran kommen. Auch von Mehrgenerationenwohnen, mehr Wohngruppen oder Quartiersmanagement ist beim Blick in die Zukunft die Rede. Für Kellner ist auf die eigene Schule und dem aktuell anstehenden Wandel der klassischen Berufsschullandschaft bezogen klar: „An der Mathilde-Planck-Schule wird es ein Kompentzzentrum Pflege geben.“

In der Altenpflege werden an der Schopfheimer Außenstelle der Mathilde-Planck-Schule 120 Schüler unterrichtet. Die Abteilungsleitung hat Gabriele Marx inne. Es gibt verschiedene „Karrierewege in der Pflege“ am Standort Schopfheim: Berufsfachschule für Sozialpflege mit dem Schwerpunkt Alltagsbetreuung (zwei Jahre), Berufsfachschule für Altenpflegehilfe (ein Jahr) sowie Berufsfachschule für Altenpflege (drei Jahre). Hinzu kommen weitergehende Qualifizierungsmöglichkeiten im Fachschulbereich- und der Weiterbildung.

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