Von  Dorothee Philipp
Binzen. Das 22. Stimmen-Festival hat begonnen: Am Donnerstag startete es auf dem Binzener Rathausplatz unter sommerlichem Abendhimmel mit einem Open-Air-Konzert. „Stimmen on Tour“ bringt große internationale und regionale Künstlerinnen und Künstler auf die Dörfer, lädt zu kostenlosem Zuhören und Genießen ein.

Dieser Prolog vor der offiziellen Eröffnung, fand, wie Festivalleiter Markus Muffler sagte, in diesem Jahr zum zweiten Mal statt, diesmal aber mit mehr Wetterglück. Besonders stolz war Muffler, dass er neben der Norwegerin Guro von Germeten und dem Briten Charlie Cunningham mit „Midnight Story“ auch eine Band aus der Region präsentieren konnte. Das Publikum erlebte so einen spannenden und stimmigen Abend mit drei ganz unterschiedlichen Auftritten.

Die wunderschöne Stimme von Guro eröffnete als ausdrucksvolles Solo das Programm, gleichsam als Hommage an den Festival-Titel. Dann kam auch das kleine rote Akkordeon zum Einsatz, das ihr Markenzeichen geworden ist. Die ganze Bandbreite großer Gefühle schwingt in ihren Liedern mit, mal in eine melancholische valse triste verpackt, dann wieder als erregendes Wechselbad zwischen Flüstern und Schreien. Ihre Stimme hat Charisma, sie eignet sich zum sanften Wiegenlied gleichermaßen wie zum rotzig-verruchten Chanson.

Mischung aus mädchenhaft und durchtrieben

Das Akkordeon untermalt den Gesang mit sparsamen Kommentaren oder auch mit eigenen, brillanten Eskapaden. „Ein bisschen dunkle, dreckige Stimmung“ möchte sie in den Hof bringen, sagte Guro von Germeten zur Begrüßung. Und sie moderierte ihre Lieder in fließendem Deutsch, brachte sogar einige Schwyzerdytzsche Fußnoten an. Das Publikum war hingerissen von dem Charme der Sängerin, der als raffinierte Mischung aus mädchenhaft und durchtrieben rüberkam.

Das Quintett „Midnight Story“ ist ganz auf seine Sängerin Jennifer Gruber fokussiert, die in ihrer wilden Rauheit an Gianna Nannini erinnert. Die junge Band, die sich erst vor einem Jahr zusammengefunden hat, agierte sicher und selbstbewusst. Ihr Stil ist straight und schnörkellos, der Sound kernig und kraftvoll und bewegt sich irgendwo zwischen traditionellem Rock und dem Post-Grunge der 90er Jahre.

Temperamentvoll und erfrischend wie ein Bergbach kamen die Songs, unter denen sich bemerkenswert wenige Covers befanden, eine brodelnde, lustvolle Kreativität brach sich hier Bahn. Das Publikum war jedenfalls sofort dabei, ging mit, klatschte und tanzte.

Charlie Cunningham kündigte Muffler als einen Künstler an, der vielleicht in einigen Jahren auf dem Lörracher Marktplatz als Support oder im Rosenfelspark auftritt, einer der „tollsten Singer-Songwriter“ der aktuellen Szene. Und der Brite enttäuschte nicht. Er begleitete seine Songs mit einem sensiblen Gitarrenspiel, das unverkennbar spanische Züge hat, dazu kommt ein klarer kräftiger Bariton mit weichem Timbre und großer Strahlkraft.

Auch er brauchte keine Mätzchen und Schnörkel, saß einfach mit seiner Konzertgitarre auf dem Hocker und legte alles in die Musik: Stille Lieder von großer Eindringlichkeit, auch mal ein elektrisierendes Gitarrensolo im Flamenco-Stil mit unglaublicher Fingerfertigkeit. Sein Folk-Rock kommt tief aus dem Herzen, spricht an.

Dazu passte der gänzlich uneitle Auftritt in Jeans und T-Shirt mit sparsamer Lichtregie, fast wie im Konzertsaal. Artig lobte er das „nice village“, dessen Hauptstraße er vor dem Konzert hoch und runter getigert war – „I am from London“.

Ein gelungener, stimmungsvoller Abend, der in seiner stilistischen Bandbreite Lust auf mehr machte. Und das wird mit dem kommenden Festival auf jeden Fall geboten.

Die weiteren Konzerttermine von Stimmen on Tour: Sonntag, 16 Uhr, im Werkraum Schöpflin in Brombach, - Montag, 19 Uhr, im Kurhotel Guggenheim, Liestal (CH). Der Eintritt ist frei.
Mehr Infos unter www.stimmen.com