Lörrach. Ohne Strom, dafür mit  jeder Menge Streichern, Bläsern und unverfälschter Live-Musik: Auf ihrer „MTV Unplugged“-Tour macht Revolverheld heute Abend  Station auf dem (bereits ausverkauften) Lörracher Marktplatz. Kristoff Meller hat im Vorfeld mit dem Gitarristen Niels Grötsch über die außergewöhnliche MTV-Produktion, mögliche Gastsänger und deutsche Songtexte  gesprochen.

Niels, Ihr kennt die Region hier unten ganz gut, habt erst im vergangenen Jahr in Freiburg gespielt und seid in Basel vor Jahren sogar einmal in eine Bühne eingebrochen. Hast Du auch schon mal was von Lörrach gehört?

Die Stadt selber war mir vorher bislang ehrlich gesagt nicht bekannt. Aber ich habe gehört, es sei die südlichste Stadt Deutschlands, stimmt das?  

Nicht ganz, aber es ist die Heimatstadt von Ottmar Hitzfeld, der ist euch als Fußballfans sicher ein Begriff.

Natürlich, auch wenn wir Nordlichter sind. Johannes Strate ist Werder Bremen-Fan und wir anderen sind Hamburger und sind mit dem HSV in den 80er Jahren groß geworden. Das führt heute auch schon mal zur ein oder anderen Rivalität beim Derby.   

Ihr kennt  große Stadien also nicht nur von euren Auftritten. Die Marktplatzkonzerte zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass die Bühne mitten in der Fußgängerzone steht. Wo tretet ihr lieber auf - in großen Hallen oder genießt ihr die  Atmosphäre kleinerer Open-Airs?
Wir sind sehr froh, dass wir die Chance haben, beides zu spielen. Eine Hallentour macht total viel Spaß, weil es einfach große Locations sind. Es ist schon etwas Besonderes, vor einer geballten Menge zu spielen, gerade wenn es eine Arena ist. Aber natürlich ist der Sommer die Zeit des Jahres, auf die wir uns am meisten freuen, viel unterwegs sind und viele Städte kennenlernen. Besondere Open-Air-Locations und die Abwechslung sind schon einmalig. Wenn dann noch das Wetter mitspielt, nehmen wir diese Momente gerne mit und reden noch lange darüber.  

Für MTV Unplugged seid Ihr 2015 ebenfalls in einem ganz besonderen Rahmen aufgetreten, wie war es für Euch, nur im Sitzen spielen zu dürfen?
Das war tatsächlich ein kleines Problem für uns. MTV hat aber die Vorgabe, dass die Künstler möglichst viel sitzen sollen. Das gehört einfach zum Konzept. Wir sind es jedoch seit vielen Jahren gewohnt, auf der Bühne hin und her zu rennen und eine Rock ’n’ Roll-Show abzuliefern. Darum war das schon ungewöhnlich und es gab ein, zwei Ansagen, weil Johannes wohl zu oft aufgestanden ist. Aber nach etwas Eingewöhnung hat es gut funktioniert, wir hatten sehr viel Spaß und empfanden es natürlich als große Ehre, dass MTV uns gefragt hat. 
 
Es gibt nicht viele deutsche Musiker, die bislang solch ein Konzert spielen durften.
Das stimmt. Wir sind alle in den 90er Jahren groß geworden mit den legendären Unplugged-Konzerten von Nirvana, Eric Clapton oder Pearl Jam. Da haben wir noch in unseren Schülerbands gespielt und uns nie träumen lassen, dass wir mal auf so einer Bühne stehen.  

Eure emotionalen Songs bieten sich für dieses Format aber auch geradezu an, oder?
Schon, es war für uns dennoch eine Herausforderung. Wir machen ja schon eine Zeit Musik als Band. Es gab jedoch sehr viele ältere Songs, die wir nicht Eins-zu-eins spielen wollten. Wir haben versucht, bei jedem Song etwas anders zu machen und diese wirklich komplett umgekrempelt. Es ist ja eine Art Best-of, das man da arrangiert. Wir wollten unsere Lieder auch nicht einfach runterspielen, sondern uns etwas Besonderes überlegen. Dafür haben wir uns viel Zeit genommen, viel rumexperimentiert und waren froh, dass wir viele Gastmusiker – also nicht nur Gastsänger sondern auch Streicher, Percussion und Bläser – hatten. Letztlich haben wir bei jedem Song ausprobiert, in welchem Gewand er am besten für das Unplugged-Konzert funktioniert. Das war ein sehr spannender Prozess.  

Für die Tour lässt sich das aber nicht komplett übernehmen, oder?
Nein, nicht komplett, aber die Auftritte kommen schon nah dran. Das Konzept mit den drei Akten lässt sich allerdings so nicht umsetzen. Bei einer Fernsehproduktion hat man Umbaupausen, das ist im Live-Betrieb nicht möglich. Wir haben jedoch viele Gastmusiker dabei, aber natürlich konnten wir nicht für acht Künstler den kompletten Sommer blocken.  

Darf Lörrach dennoch auf den ein oder anderen Überraschungsgast hoffen?
Auf jeden Fall überlegen wir uns da etwas.
 
Rea Garvey, einer der Gastsänger in der TV-Produktion, ist es aber nicht, oder? Er war schließlich erst letzten Samstag nur wenige Kilometer entfernt live zu hören.
Das würde ich jetzt so oder so nicht verraten. Es soll ja eine Überraschung bleiben, und man kann das im Vorfeld auch nicht immer so gut planen. 
 
MTV bewirbt die Konzerte als „pur und unverfälscht“. Auch eure Songtexte sind sehr direkt, wie wichtig sind für euch die Texte?
Sehr wichtig. Wir wollen gerne Geschichten erzählen, sind sehr viel unterwegs, erleben viel und haben dadurch viele Inspirationen. Die Texte sind für uns von großer Bedeutung – gerade wenn man in seiner Muttersprache singt. Wenn man als deutsche Band auf Englisch textet, hat man immer einen schwierigeren Zugang zur Sprache. Ich glaube, gerade weil wir noch aus einer Zeit kommen, in der Deutsch kritischer beäugt wurde – Englisch war cool, deutsche Musik hatte einen Schlagertouch – braucht man etwas Fingerspitzengefühl, um seine Geschichte zu erzählen, ohne dabei zu kitschig zu werden. Unsere Sprache bietet jedoch sehr viele Möglichkeiten, einen Text in die eine oder andere Richtung zu formulieren, deswegen nehmen wir uns dafür immer sehr viel Zeit.  

Auf Deutsch zu singen, ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden – woran liegt das deiner Meinung nach?
Es hat irgendwann einfach mehr Leute gegeben, die sich das getraut haben. Natürlich existierten schon immer Vorreiter wie die Ärzte oder die Toten Hosen. Es war ja nicht so, dass Deutsch immer nur Schlager war, aber die große Breite war nicht vorhanden. Mittlerweile ist die deutschsprachige Musik so vielfältig, dass auch die Radiosender mutiger geworden sind und sich mehr und mehr Bands an Deutsch als Songsprache rantrauen. Außerdem: Wenn die einen damit Erfolg haben, inspiriert das auch andere Künstler. Ich finde es toll, dass sich deutsche Texte mittlerweile durch alle Sparten ziehen. Such dir eine Musikrichtung aus und du wirst sicherlich eine Band finden, die auf Deutsch singt und damit Erfolg hat.  

Apropos Erfolg. Ihr durftet nicht nur 2015 ein MTV Unplugged-Konzert aufnehmen, sondern habt unter anderem auch den Echo und den Bundesvision Song Contest 2014 gewonnen. Was bleiben da noch für Ziele?
Es ist tatsächlich ein bisschen absurd, was die letzten Jahre passiert ist. Früher haben wir nie was gewonnen, und die Touren waren sehr viel kleiner. Vieles was wir uns immer erträumt haben, ist inzwischen in Erfüllung gegangen. Wir wissen aber auch sehr genau, dass das nicht der Normalfall ist und wir ein unglaubliches Privileg genießen. Deswegen machen wir uns jetzt gar nicht so viele Gedanken, sondern genießen einfach den Moment: Diese wahnsinnig tollen Konzerte, die vielen fremden Städte, wo tausende Menschen uns hören wollen und wir sehr intensive und bereichernde Abende erleben. Anfang des nächsten Jahres möchten wir aber auch mal etwas runterfahren. Wir waren jetzt durchgängig unterwegs, da muss irgendwann auch mal eine kleine Pause her, um durchzuschnaufen und neue Songideen zu sammeln. Mitte des nächsten Jahres werden wir uns dann wieder treffen und langsam anfangen, am nächsten Album zu arbeiten.