Kultur Helena als Luxusgöre

Die Oberbadische
Die schöne Helena (Linn Breitenfeld) und der flippige Paris (Dominik Muheim) Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Theatergruppe Rattenfänger zeigt „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“

Von Jürgen Scharf

Augst. Eigentlich hätte er nicht stattfinden müssen, der trojanische Krieg. Die meisten suchten den Krieg zu vermeiden, sogar die Helden Hektor und Odysseus. Aber Kassandra, wie immer eine Unke, weiß es besser: Der nächste Krieg steht vor der Tür. Und wieder einmal hat alle Diplomatie nichts genutzt, werden demagogische Hetze und Nationalismus über die Vernunft siegen.

Dany Wehrmüller hat das Antikriegsstück aus dem Jahr 1935 „Der Trojanische Krieg findet nicht statt“ in seiner Spielfassung für die Theatergruppe Rattenfänger frei nach Jean Giraudoux zeitgemäß gefasst, mit Witz, Ironie und tieferer Bedeutung neu gestaltet. Gespielt wird in der überdachten Curia von Augusta Raurica, einem Römertheater en miniature - eine sehr passend gewählte antike Spielstätte, die Wehrmüller für eine kammerspielartige Inszenierung nutzt.

Hinter einem transparenten Gazevorhang mit antiken Motiven führt er Eirene, die Göttin des Friedens, ein, die aus dem Olymp berichtet. Dafür streicht der Regisseur den Helden Ajax. Wenn es heißt „Die Griechen kommen!“, taucht lediglich Odysseus als Delegierter auf.

In einem „Duett“ treffen sich der griechische Abgesandte und der trojanische Feldherr Hektor „vor dem Einsatz des Orchesters“, wie es in diesem geistvollen, modernen Debattierstück des Ironikers und Skeptikers Giraudoux so schön heißt. Zwei, die sich gar nicht übel verstehen, der hektisch den Krieg verhindern wollende Hektor (Joeri Schaffner) und der ironische Odysseus (Tobias Meyer). Ginge es nach den beiden, der Krieg fände nicht statt. Sie wissen, nicht die Soldaten betreiben den Krieg, sondern „die anderen“, die Politiker, die Medien, die Herrschenden, die Parteien, die Waffenindustrie.

Ihr Repräsentant ist Demokos (Niggi Reiniger), ein hinterhältiger Kriegspropagandist mit einigem politischem Einfluss im Senat, der kurz vor dem Friedensabschluss, wie so oft in der Geschichte, einen „Zwischenfall“ provoziert. Es sind also die Kriegstreiber, die den Kriegsgegnern und Friedliebenden gegenüberstehen. Und Schuld an allem ist die schöne Helena.

Aber eigentlich ist sie nur der Vorwand für die Kriegsmaschinerie. Das geht aus Giraudoux’ moderner Analyse des klassischen Stoffes klar hervor. Der Fall Helena ist so was wie heute eine Medienkampagne. Helena, das nationale Sexidol. Für das verführerische blonde Gift würden alle Männer Trojas in den Krieg ziehen.

Die Helena von Linn Breitenfeld erinnert als verwöhnte Luxusgöre an It-Girls wie Paris Hilton. Die Beauty der Truppe, langbeinig und sexy beim Table Dance hinterm Vorhang, scheint auf Helenas abonniert (sie spielte schon im letzten Jahr die Helena im „Sommernachtstraum“) und geizt nicht mit ihren Reizen. Sogar den greisen König Priamus (Christian Vontobel) hat sie becirct. Bei Wehrmüller kommt Helena als Modepüppchen daher mit Designer-Shoppingtüten.

Starker Kontrast dazu die instinkthafte, Saxophon spielende und mit ihren traurigen Liedern die Szene kommentierende Kassandra, der Annika Becker ein bannendes Profil ganz in Schwarz verleiht. Rahel Brügger spielt die schwangere Andromache sehr mütterlich. Der flippige Paris (Dominik Muheim) scheint die Nächte durchzumachen, bekifft lümmelt er übernächtigt auf den Stühlen herum, ein witzig gezeichneter Youngster-Charakter.

Gespielt wird in heutiger Alltagskleidung, nur Hektor erscheint im Tarnanzug, mit Tornister und Maschinengewehr, als käme er gerade aus Afghanistan oder Syrien. Der Gegenwartsbezug ist immer da, wird aber auch mal verfremdet, wenn etwa die kleine Polyxena sagt, sie habe eben mit Hektor telefoniert. Das letzte Wort hat Kassandra, die Unglückprophetin: „Der Trojanische Krieg findet…“. Den Rest lässt sie offen.

u Vorstellungen: 25., 27., 29. August, und weitere bis 12. September, 20 Uhr. Gespielt wird bei jedem Wetter. Eine Dokumentation in Buchform unter dem Titel „Stück für Stück ein Dorf bespielen“ ist als Rückschau auf 25 Jahre Theatergruppe Rattenfänger erschienen.

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