Moderne Kunst auf altem Schleppkahn

Von Jürgen Scharf

Basel. Die Schiffe werden immer größer. Unsere globalisierte Welt lässt Containerschiffe zu Kolossen werden. Mit dem größten Containerschiff der Welt kann es Willi nicht mehr aufnehmen. Während der Mega-Carrier 395 Meter lang ist, bringt es Willi gerade mal auf 39 Meter. Aber er hat doch ein Transportvolumen von zehn Lastwagen.

„Willi“ ist ein Relikt aus guten alten Binnenschifffahrtszeiten, als Treidelkähne noch ohne Motor von Hafen zu Hafen durch Pferde, Lokomotive oder Menschen gezogen wurden. Der Verein Historische Binnenschifffahrt Muttenz hat den betagten „Willi“ restauriert und fahrtüchtig gemacht.

Besondere Fracht

Zurzeit liegt das historische Kanalschiff am Hafenbecken 1 des Basler Rheinhafens vor Anker und hat eine ganz besondere Fracht an Bord. Im Bauch des 1909 gebauten Rheinfrachters, wo es nach altem Öl und Ladung riecht, zeigt die Basler Malerin Rosa Lachenmeier knapp zwei Wochen lang – bis das Museumsschiff wieder weiterfährt – neue Rheinhafenbilder.

Der alte Schleppkahn bietet den idealen und sehr atmosphärischen Schauplatz für moderne Kunst auf dem Schiff. „Willi“ wird zu einer Galerie auf Zeit. Lachenmeier hat dafür Basler Rheinhafenmotive ausgesucht in einer besonderen filmischen Montagetechnik, basierend auf Fotografien. Motive von Hafenbecken, großen Silos, Kränen, Frachtschiffen, und immer wieder Containern. Container und gestapelte Kisten sind für die Malerin ein Synonym für die Globalisierung und eine Art Black Box, bei der man nicht weiß, was drin ist, und die Fantasie und zu Geschichten anregen.

Die Containerbilder, passend mit rillenartigen Formen, pendeln durch die malerische Überarbeitung zwischen Realität und Abstraktion. Neben den Motiven, die sich oft überlagern, ist die Per-spektive spannend. Immer neue Perspektiven und die montierten Bilder ergeben ein großes Rheinhafenpanorama.

Malerei kontrastiert die Fotografie. Heftige Farbspuren und Farbspritzer geben den Fotomontagen etwas Gestisches und Dynamisches, das Element der Bewegung entspricht dem fließenden Wasser. Die Panoramabilder sind speziell für den Laderaum des ehrwürdigen Kahns konzipiert und hängen vor der rostigen Patina der Eisenwände und über dem alten Holzboden.

Die Künstlerin hat eine besondere Beziehung zum Rheinhafen. Sie ist in Kleinbasel aufgewachsen, generell fasziniert von Häfen, und hat viele Hafenbilder von Rotterdam und Amsterdam gemalt, auch schon im Hohlraum einer Kölner Brücke ausgestellt. Rosa Lachenmeier liebt spezielle Locations. Wenn sie nun hier eine Ausstellung einrichtet, ist das wie ein Zurückkommen an den Ort ihrer Kindheit.

Im Laderaum des Transportschiffs kommt es zu einer spannenden Begegnung zwischen den Spuren des Jahrhunderts und neuen Hafen-Impressionen, die andere, heutige Geschichten erzählen. Diese Inszenierung des Rheinhafens hat viel Charme und bringt eine frische Brise an Bord des über 100 Jahren alten „Willi“.

Die Ausstellung auf dem Kanalschiff „Willi“ im Hafenbecken 1 im Basler Rheinhafen/ Kleinhüningen ist bis 13. August, täglich von 14 bis 21 Uhr, zu sehen. Führungen und Gespräche mit der Künstlerin sind am 6. und 10. August, 19 Uhr. Jeden Abend gibt es ein reichhaltiges Begleitprogramm mit Hafenführung, literarischer Flussfahrt (Lesung), Filmvorführung und Hafenrundfahrt.