Kultur Naturereignis an der Geige

Die Oberbadische
Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und die russischen Pianistin Polina Leschenko Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Patricia Kopatchinskaja bei den „Klassiksternen Rheinfelden“

Von Jürgen Scharf

Rheinfelden/CH. Patricia Kopatchinskaja ist anders als die anderen jungen Geigerinnen ihrer Generation. Ein Naturereignis. Mit klassischen Stilbegriffen ist ihr nicht beizukommen. Sie spielt eigenwillig, aber unerhört lebendig und unmittelbar. Das geigerische Element steht im Vordergrund. Das war wieder einmal auffallend bei ihrem Duoabend mit der russischen Pianistin Polina Leschenko im dritten Konzert der „Klassiksterne Rheinfelden“. Das Publikum im ausverkauften Musiksaal der Kurbrunnenanlage reagierte enthusiastisch.

Vor allem Debussys Violinsonate, die sonst gerne in verfließenden Farben und Linien gespielt wird, bietet ein gänzlich ungewohntes Hörbild. Kopatchinskaja spielt in gedeckten, dramatischen Klangfarben, mit seltsam rauen Flageoletts im Kopfsatz und fast folkloristischen Tönen. So kommt das Zerrissene dieser Sonate zum Ausdruck, und es klingt durch, dass sich hier Debussys Erlebnis des Ersten Weltkriegs widerspiegelt.

Die Kantilenen und Steigerungen füllt die Geigerin mit einer Intensität sondergleichen aus (Stellen wie die fahlen Flaschentöne im ersten Satz bleiben unvergessen im Ohr). Ein Debussy ohne impressionistische Ästhetizismen, mit einer Unmittelbarkeit und Farbigkeit, die schier atemberaubend war.

Dasselbe gilt für Maurice Ravels „Tzigane“, dieses im zymbalartigen Stil der ungarischen Zigeuner geschriebene „diabolisch schwierige Stück“ (Ravel), das man bekanntlich so oder so spielen kann. Man hat es schon als Zirkusattraktion gehört, auf Effekt um jeden Preis angelegt, vulgär oder schlicht „seriös“.

Kopatchinskaja wählt ein anderes Extrem für dieses halsbrecherische Gustostück, nicht minder effektvoll, und führt es mit ihrem überrumpelnden Charme und Überzeugung vor, so dass man es richtig klasse findet. Ihre „Tzigane“ klingt teils wie improvisiert, so, als würden sie und ihre hervorragende Klavierpartnerin (die schon als ganz junge Pianistin beim früheren Festival „Les muséiques“ Furore machte) im Moment des Zusammenspiels gerade etwas ausprobieren.

Ähnliche Klangwelten findet Kopatchinskaja in der dritten Sonate von Georges Enescu und entlockt sie dem „Dans le charactère populaire roumain“. Der moldawischen Ausnahmegeigerin, einer Frau der Zwischenfarben, liegt das Werk ihres Landmanns ganz besonders (am Herzen). Da ist sie klangsinnlich, mit innerer Intensität und enorm differenzierter Tongebung bei der Sache. Mit so viel Emphase gespielt, entpuppt sich Enescus Sonate als wahres Meisterwerk, das eine ähnliche Popularität verdient hätte wie Ravels „Tzigane“.

Das Publikum ist hingerissen. Aber das war es auch schon zu Konzertbeginn nach dem sehr eigenwilligen, überhaupt nicht „mo-zärtlichen“ Mozart. Von wegen Wohlklang und Tonreinheit à la Anne-Sophie Mutter! Die muss man sich in der Sonate B-Dur (KV 454) abschminken. Da macht sich eher eine harsche Akzentuierung bemerkbar.

Ein emotionales, äußerst spannendes Violinspiel mit einzigartiger Profilierung. Und dann erst die Zugaben. Ob Fritz Kreisler oder Alfred Schnittke (Suite im alten Stil), sie klingen unter Kopatchinskajas Bogen höchst persönlich.

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