Von Sarah Trinler

Lörrach. „Das stehen wir gemeinsam durch“, war das Motto des dritten Marktplatzkonzerts am Freitagabend. Mit brodelnden Bässen, mitreißenden Dubstep-Elementen und einer aufwändigen visuellen Show, wie es sie bei den Stimmen-Konzerten wohl selten gegeben hat, zog die Band Massive Attack das Publikum in ihren Bann.

Die Briten sind mit nichts zu vergleichen, sie zählen sogar zu den Erfindern einer eigenen Musikrichtung, dem Trip-Hop. Auf besondere Weise gelingt es Robert „3D“ del Naja (51) und Grantley „Daddy G“ Marshall (56) mit ihren Musikern die knapp 4000 Besucher für anderthalb Stunden auf eine Reise mitzunehmen, in der es um politische Fragen und Zusammenhalt geht.

Die Qualität der Musik hat auch nach über 25 Jahren Bandgeschichte nicht nachgelassen. Der komplexe Aufbau der Stücke zeigt, warum selbst große Produzenten Trip-Hop nur mit spitzen Fingern anfassen. In Verbindung mit der riesigen LED-Wand, auf der es durchweg politische Botschaften, Farben und Formen regnet, ist das Konzert ein akustisch-optisches Gesamtkunstwerk.

Man muss sich darauf einlassen, um es verstehen zu können. Und das macht das Lörracher Publikum am Freitagabend auch: Viele blicken wie elektrisiert auf die Bühne, andere tanzen mit geschlossenen Augen und wirken total in sich gekehrt. Manch einer hat vielleicht auch nur die Augen geschlossen, weil ihm die hektische Lichtshow schlichtweg zu viel ist. Doch genau das ist der Reiz an Massive Attack: Das Publikum bekommt keine Gelegenheit zur Ablenkung und ist von den LED-Botschaften wie hypnotisiert.

Längst verziehen ist die mit knapp einer Stunde lange Wartezeit auf die britische Band. Zuvor war Denis Jones aus Manchester am Zug, der mit allerlei Mixern, Looper, Gitarre und seiner rauchigen Stimme auf der Bühne neue Sounds entwickelt – das meiste davon  komplett improvisiert.

Neben einigen jüngeren Fans, sind die meisten Besucher aus der Generation, die Anfang der 90er Jahre jung war, als Massive Attack mit Hits wie „Unfinished sympathy“ und „Safe from harm“ bekannt wurde. Bei den erfolgreichsten Songs wird schon bei den ersten Klängen applaudiert. So auch bei den beiden genannten Titeln, die sich die Band bis zum Schluss aufhebt. Doch auch  „Take it there“ und „Ritual spirit“ aus dem neuesten Werk, die EP „Ritual spirit“, überzeugen.

Der Sound ist düster und introvertiert – so auch das Duo del Naja und Marshall. Beide stehen nicht gerne im Mittelpunkt. Oft holen sie sich Gastsänger ins Boot, wie etwa Shara Nelson, die mit ihrer Stimme „Unfinished sympathy“ 1991 zu einem Welthit machte. Auf der aktuellen Europatour werden diese Parts von Deborah Miller übernommen. Mit eindringlicher Stimme überzeugen auch die Gastsänger Horace Andy und Azekel Adesuyi.

Gänsehaut bekommt das Publikum als auf der Leinwand auf Deutsch erschütternde Schlagzeilen erscheinen – mit dabei sogar  brandaktuelle wie „Flüchtling ertrinkt im Rhein“, „Würzburg“ und „München“, wo fast zeitgleich mit dem Konzert der Amoklauf einens jungen Mannes stattgefunden hatte. Im Laufe des Abends sind auch blutrote Zahlenreihen oder die Namen von zerstörten Kulturdenkmälern zu sehen. Untermalt mit Songs wie „Inertia creeps“ und „Futureproof“ entsteht eine bedrückende Stimmung.

Doch die Band lässt das Publikum mit diesem beklemmenden Gefühl nicht alleine. In leuchtenden Buchstaben wird aus „Je suis Charlie“ plötzlich „Je suis Paris, Orlando, Bruxelles, Istanbul“. Begeisterungsstürme bei den Fans auf dem Lörracher  Marktplatz. Als beim einzigen Zugabesong „Unfinished sympathy“ wieder groß die Worte „Das stehen wir gemeinsam durch“ aufleuchten, ist die Show perfekt – die politische Botschaft ist angekommen.

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