Von Dorothee Philipp
Kaiseraugst. Irische Musik im römischen Theater: Diese Melange begeisterte das Publikum am dritten Abend des Stimmenfestivals in der antiken Theater-Ruine in Augusta Raurica am Samstag.

Wie ein frischer Wind wirbelten die drei Henry Girls auf die Bühne, alle Accessoires stimmten, die keltische Harfe, die Fiddle und das Akkordeon, dazu der ländlich-schelmische Charme und die quirligen, an alten Traditionals orientierten Melodien und Rhythmen. Genau so stellt man sich irische Volksmusik vor.

Karen, Lorna und Jolene McLaughlin aus dem Donegal County haben umwerfend schöne Stimmen, ihre Unbekümmertheit und die vitale Spielfreude – immer wieder wechselten sie auch die Instrumente untereinander – sprangen sofort auf das Publikum über. „Sing my sister down“ wurde zu einem fröhlichen Exkurs in die Country-Welt mit einem spritzigen Solo auf der Ukulele, neckisch, launig, lustig. In jazzigem Gewand daher kam eine schwungvolle Ballade, in der es um einen Typen geht, der „so cute“ ist.

Wollt ihr singen? Das sollte das Publikum im Lauf des Abends noch öfter hören, das gemeinsame Singen, zumindest des Refrains ist mit der irischen Musik untrennbar verbunden. „He ho, he ho, early in the morning, he ho he ho, at the break of day“ – das gelang recht schnell, mit einer Melodie eingängig wie ein Kinderlied. Die Fiddle jauchzte, das Klavier wummerte, die Harfe streute perlende Töne dazwischen, schon bald herrschte selige Pub-Atmosphäre im Jahrtausende alten Amphitheater. In tiefstes Irischgrün getaucht war die Bühne beim letzten Song der drei, in dessen Refrain „lalala“ das Publikum mit Begeisterung einstimmte.

„Wir sind zu viert, und haben nur zwei Banjos“, begrüßten „We Banjo3“ das Publikum, machten flapsige Bemerkungen über den Umgang der Iren mit Zahlen und legten dann mit einem Temperament los, dass es die Leute kaum auf den Sitzen hielt. Zwei Banjos, eine Gitarre und die Fiddle und ab geht die Post. Der Rhythmus ist hart und schnell, die Melodien wirbeln nur so daher, die Stimmung klettert. Die Accelerandi, wenn man meint, es gehe nicht mehr schneller, haben etwas Berauschendes.

Auch das Quartett aus Galway setzte ganz auf Tradition, spielte gekonnt auf dem Klavier der Emotionen von ausgelassen bis todtraurig und würzte die Show mit lustigen Bemerkungen zum Wetter und der deutschen Sprache. Das Publikum durfte Bekanntschaft machen mit der Bodhrán, der irischen Rahmentrommel. Sie wird mit einem kleinen Holzschlägel mit dessen beiden Enden gespielt, die andere Hand variiert durch Druck gegen das Fell die Tonhöhe.

In den Händen von Fiddler Fergal Scahill entwickelte das kleine Ding ein wuseliges Eigenleben, frenetischer Beifall quittierte das atemberaubende Solo. Bald begannen die ersten zu tanzen. Auch „We Banjo3“ rasteten nicht, bis sie dem Publikum ein paar schöne Refrains beigebracht hatten und diese in Gruppen unterteilt, erst die Ladies, dann die Guys, anstimmen ließen.

Dass der Flieger von Cara Dillon zunächst nicht abgehoben hatte, sie nach abenteuerlichem Umbuchen erst spät aus Zürich abgeholt werden konnte und deswegen an diesem Abend als Letzte und nicht wie geplant in der Mitte auftrat, tat der Dramaturgie des Konzerts keinen Abbruch. Im Gegenteil: Jetzt, unterm dunklen Nachthimmel, kam der schmusige, gefühlvolle Part, den die elfengleiche Blondine mit der weichen, femininen Stimme perfekt ausfüllte.

Einer Stimme, die auch im Forte nichts von ihrer jugendlichen Sanftheit und Geschmeidigkeit verliert. Am Klavier und mit der Gitarre assistierte ihr Ehemann Sam Lakeman, sensibel, einfühlsam und kreativ. Die Songs entwickeln beide gemeinsam. Tiefe Flüsse, hohe Berge, Liebe und Schmerz, Sternenhimmel und Morgendämmerung – die ganze Palette romantischer Motive entfaltete sich in der tiefgründigen, schmeichelnden Musik. „Die irischen Melodien finden die Seele der Menschen“, hatte Dillon im Interview mit unserer Zeitung gesagt. „They love the ground whereon she stands“, sie lieben den Boden, auf dem sie steht, sang sie und es schien, als singe sie von der eigenen Erfahrung. Mit einem schmeichelnden Abschiedslied als Zugabe endete der Abend, eine Hommage an eins der musikbegeistertsten Völker der Welt.

Eine Kritik zum Konzert mit Sinead O’Connor lesen Sie morgen auf der überregionalen Kulturseite unserer gedruckten Zeitung.
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