Lörrach. Was unterscheidet einen Bayer vom Rest der Welt? Auch dieser Frage geht Bruno Jonas in seinem neuen Programm „So samma mia“ nach, mit dem er am 8. Oktober im Lörracher Burghof gastiert. Wir unterhielten uns mit dem mehrfach ausgezeichnete Kabarettisten.
Herr Jonas, wieso sind Sie erreichbar und nicht auf dem Oktoberfest?
Sie glauben wohl auch, dass sich alle Münchner den ganzen Tag auf dem Oktoberfest herumtreiben! Aber stimmt schon, ich war gestern auch zum Mittagessen dort. Ich geh gern auf die Wiesn!
Wäre oder war die Wiesn nicht ein idealer Ort, um Menschenstudien für Ihr derzeitiges Programm „So samma mia“ zu betreiben, mit dem Sie nach Lörrach kommen?
Ich kann gar nicht anders, auch beim Oktoberfest. Mein Blick ist immer und überall scharf gestellt auf die Menschen. Ich frag mich dann: Was ist das für einer? Wo kommt er her, wo geht er hin? Wo kauft der sich die nächste Maß. Das ist leider eine Art Berufskrankheit, ich bin stets auf der Suche, ob um mich herum nicht was Verwertbares fürs Kabarett mit dabei ist. Im übrigen habe ich ja bereits ein Wiesn-Buch geschrieben: „Gebrauchsanweisungen fürs Oktoberfest“. Dahingehend sind meine Forschungen weitgehend abgeschlossen.
Sind Ihnen zu viele Nicht-Einheimische da?
Mei, das Oktoberfest ist eine multikulturelle Veranstaltung. Ich würde sagen: Hier ist die Integration gelungen! Über Dirndl und Lederhosen bekennen sich selbst Italiener und Japaner schnell zur bayerischen Identität. Die sie jedoch vermutlich sofort aufgeben, sobald sie die Tracht wieder ausziehen, das Fest verlassen – oder sie der Geist verlässt, was ja auf der Wiesn auch vorkommen soll.
Die Bayern genießen Sonder- beziehungsweise Kultstatus. Wieso eigentlich?
Woher soll ich das wissen! Offensichtlich gibt es viele Sympathien für die bayrische Lebensart und Kultur. Unser Oktoberfest wird tatsächlich weltweit kopiert. Man identifiziert die Deutschen mit diesem Bayerischen – die Österreicher und Schweizer oft gleich inklusive – ob sie wollen oder nicht.
Über Zugezogene wird überall geschimpft. Wie sehr erstaunt Sie angesichts dessen die große Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen, gerade auch in München?
Ich bin kein Politiker! Aber vielleicht ist den Menschen ja klar, dass wir alle Migranten sind, schließlich kommen wir alle aus Afrika – alle! Und Zugezogene waren quasi die Voraussetzung für die Bildung des bayrischen Stammes. Die Wahrheit ist: Man ist nicht Bayer, man wird Bayer. Jeder Zugereiste hat die Chance! Wichtig ist natürlich, gleich nach der Einreise in einen Trachtenladen einzulaufen. Das erhöht die Chancen.
Sowas lernt man auch in Ihrem aktuellen Programm, oder?
So ist es. Und es lässt sich nicht vermeiden, dass das auch mal ins Philosophische geht. Aber der Titel „So samma mia“ suggeriert vielleicht, dass es im Programm nur um den „Homo erectus bavarius“ geht. Dem ist nicht so. Es dreht sich eher um die Spezies Mensch und ihre evolutionäre Entwicklung. Dabei wird unser aller Verhalten satirisch überhöht. Ich gehe den großen Fragen nach: Was ist der Mensch? Was ist der Mensch, wenn er Politiker wird? Wenn er Papst ist? Wenn er in Bayern geboren ist? Und wenn wir den Blick weiten: Was ist der Mensch, wenn er seinen Vorteil sucht? Was ist er, wenn er am Münchner Hauptbahnhof Willkommenskultur praktiziert? Darüber mache ich mich mit großem Vergnügen lustig.
Darf Satire böse sein – Stichwort Charlie Hebdo?
Was ist böse? Das müsste man erst mal hinterfragen. Sie zielen ja auf die Frage ab, wo die Schnittstelle zwischen Religion und Satire ist. Dürfen wir uns über religiöse Inhalte satirisch äußern? Meistens wird in diesem Zusammenhang Tucholsky zitiert, der gesagt haben soll: „Satire darf alles.“ Die Frage ist nur, in welchem Kontext er das gesagt hat. Ihm ging es damals im Kaiserreich darum, dass er sich nach Abschaffung der Zensur gewundert hat, warum die Chance zur freien Rede so wenig genutzt wurde.
Wir haben aber heute einen ganz anderen Kontext. Zunächst mal darf Satire natürlich alles, das ist ja im Grundgesetz verankert. Aber muss sie auch alles? Wenn ich mit Menschen rede, die Satire und Ironie aus welchen Gründen auch immer nicht verstehen können – das kennen Sie als Journalistin auch – warum soll ich mit denen satirisch sprechen? Eine solche Kommunikation ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Warum soll ich einen tief religiösen Menschen mit meiner Satire verletzen, obwohl ich weiß, dass er die Ironie auf Grund seines Glaubens gar nicht verstehen kann – warum mach ich dann den Witz?
Wir haben aber heute einen ganz anderen Kontext. Zunächst mal darf Satire natürlich alles, das ist ja im Grundgesetz verankert. Aber muss sie auch alles? Wenn ich mit Menschen rede, die Satire und Ironie aus welchen Gründen auch immer nicht verstehen können – das kennen Sie als Journalistin auch – warum soll ich mit denen satirisch sprechen? Eine solche Kommunikation ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Warum soll ich einen tief religiösen Menschen mit meiner Satire verletzen, obwohl ich weiß, dass er die Ironie auf Grund seines Glaubens gar nicht verstehen kann – warum mach ich dann den Witz?
Sie spielen vor allem auf Muslime an?
Der Islam ist eine Religion, die die Trennung von Religion und Gesellschaft ablehnt. Er ist nicht nur privat Religion, sondern er erhebt den Anspruch, eine Herrschaftsreligion zu sein. Wir hingegen haben eine Trennung von Staat und Religion. Und da bin ich sehr dafür. Ich erwarte auch von den Menschen, die hier leben, dass sie unsere Gesellschaftsform, unser Grundgesetzt respektieren.
Volldepp – kennt man. Wer aber ist „Vollhorst“, so der Titel Ihres neuesten erfolgreichen Buches?
Man könnte ja jetzt an Horst Seehofer denken. Aber er ist es nicht alleine! Es laufen viele Vollhorste mit Tarn-Namen herum. Ich habe so den Verdacht, das Sigmar Gabriel eigentlich auch Horst Gabriel heißt. Auch bei Gerd Schröder, über den ja gerade eine große Biografie erschienen ist, entdecke ich doch viele Verhaltensweisen, die mich an den Vollhorst erinnern. Ich stelle sowieso zunehmend bei Politikern die Tendenz zu vollhorstigem Verhalten fest.
Was ist an Ihnen echt bayrisch? Der Dialekt?
Ich bin ja zum Glück zweisprachig. Das Hochdeutsche habe ich meinem Vater zu verdanken, der Heimatvertriebener aus Ostreußen ist. Ich darf also in mir diese beiden Sprachquellen, das Preußische und das Bayrische, miteinander versöhnen.
Bayrisch ist an mir vermutlich, dass ich den Drang in mir verspüre, viel über meine bayrische Identität nachzudenken. Die Bayern reden gern über ihre Geschichte, ihre ruhmreichen Taten. Sie kreisen viel um sich.
Der Bayer lebt zudem häufig aus einem „Grant“ heraus. Das bedeutet so viel wie Unzufriedenheit. Eine wabernde, ständige vor sich hin brodelnde Unzufriedenheit: das Granteln.
Dabei ist es doch so schön in Bayern!?
Eben. Das ist ja das Interessante. Der Bayer hat immer das Gefühl, er lebe in einem suboptimalen Dasein. Ich behaupte: Wenn der Bayer im Paradies ankommt, sagt er: „Aha. Na, es wird schon zum Aushalten sein!“
Die Fragen stellte Gabriele Hauger
Die Fragen stellte Gabriele Hauger