Lörrach Aphrodites Schwestern mit raubkatzenhafter Eleganz

Die Oberbadische
Die Afro-Dites Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Afro-Dites: Tanzkompanie „Jant-Bi Jigeen“ gastierte im Burghof Lörrach

Von Dorothee Philipp

Lörrach. Neun junge Tänzerinnen aus dem Senegal verwandelten am Dienstag die Burghof-Bühne in ein farbenprächtiges afrikanisches Kaleidoskop: Die Tanzkompanie „Jant-Bi Jigeen“ zeigte Ausschnitte aus der Lebenswirklichkeit der senegalesischen Frauen im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Die Afro-Dites hatten an der Entwicklung des Programms selbst mitgearbeitet und ihre eigenen Erfahrungen eingebracht, erfuhr man nach der Vorstellung im Künstlergespräch mit dem Choreografen Patrick Acogny.

Die meisten von ihnen stammen aus der ländlichen Umgebung der „Ecole des Sables“ südlich von Dakar, in der seine Mutter Germaine Acogny eine der spannendsten Tanzschulen der Welt betreibt: Einen Hotspot für zeitgenössischen afrikanischen Tanz.

In dem Moment, wo das gedimmte Bühnenlicht die Silhouetten der neun Tänzerinnen vor einem in magischem Weltraumblau strahlenden Hintergrund sichtbar macht, beginnt ein 70-minütiger Hurrikan aus wirbelnden Leibern, die von dumpfen Trommeln und magischen Melodien in Bewegung gehalten werden, um dann wieder zu Bildern zu gerinnen, die sich mit ihrer Prägnanz ins Gedächtnis graben.

Die Afro-Dites, die Schwestern der griechischen Liebesgöttin Aphrodite, haben ihren Namen nicht zu Unrecht, sie sind alle wunderschön, ihre durchtrainierten Körper ihre raubkatzenhafte Eleganz, ihre Schnelligkeit und Kraft, das allein ist schon eine wahre Augenweide. Und trotz solcher Vorzüge ist keine Frau gefeit vor den Verlockungen schicker Kleider und Schuhe, westlicher Accessoires wie Sonnenbrille, Perücke, Handtasche.

Acognys Choreografie spielt mit diesen Bildern in satten, klaren Farben, lässt auch Humor aufblitzen, wenn er die Diven in High Heels steckt, allerdings nur einen Schuh für jede, so dass sie eine ganz neue Gangart entwickeln müssen. Sich noch mehr aufputzen, den zweiten Schuh anziehen, die Körpersprache noch aufreizender, und schon drängt sich das Thema Prostitution auf die Bühne, später wird sogar eine Vergewaltigung visualisiert, als im unsteten Zwielicht ausgelebtes Tabu, der Atem stockt einem, man ist auf einmal mittendrin, fühlt sich mitschuldig.

„Schaut mich an, ich bin schwarz, von Natur aus“, ruft eine der Tänzerinnen auf Französisch ins Publikum, thematisiert damit das im Senegal verbreitete Bleichen der Haut mit chemischen Mitteln und unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. In einer anderen Szene verwandeln sich vier Tänzerinnen in afrikanische Machos – auch in den Schlafzimmern geht der Krieg der Geschlechter weiter. Heirat, Polygamie, viele Kinder sind weitere Erfahrungen aus dem Alltag der senegalesischen Frauen, wieder umgesetzt in eine eindrückliche Bildsprache, in der ein großes Tuch über dem Gesicht der Solotänzerin eine wichtige Rolle spielt. Anrührend, dass eine Tänzerin in der Gruppe mit einem kleinen, wohlgerundeten Babybauch auf der Bühne agiert. Und da sind noch die „Big Sisters“, die älteren Frauen, die die jüngeren beraten und beschützen, sich zusammen mit ihnen in einem wie besinnungslos rasenden kultischen Tanz zur Austreibung des Bösen (Ndeup) bis zur Erschöpfung verausgaben.

Die Choreografie kommt ohne strukturierte Szenenwechsel und bis auf die in wechselnden Farben beleuchtete Rückwand auch ohne Kulissen aus. Die Kostüme werden am Bühnenrand ausgetauscht, die Bilder fließen in stetigen Wirbeln ineinander, leben von ihrer bezwingenden Authentizität.

Diese Urgewalt kann nicht aus Europa oder Amerika stammen. „Es ist erstaunlich, über was alles die Mädchen bei der Ausarbeitung des Stücks mit mir gesprochen haben“, wird Patrick Acogny später im Interview mit Markus Muffler sagen. Für das Publikum war der Abend ein starker Eindruck aus einer nur auf den ersten Blick von uns so verschiedenen Kultur. Und ein betörender Sinnenrausch aus Farbe, Rhythmus und Bewegung.

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