Er war der „Kanzler der Einheit“ und galt als Vater der Europäischen Union. Helmut Kohl, der am Freitag im Alter von 87 Jahren verstorben ist, hat seine Spuren nicht nur in der Weltgeschichte hinterlassen. Auch in Lörrach war der Bundeskanzler während seiner letzten Amtszeit 1996 zu Gast und hinterließ einen bleibenden Eindruck .

Von Kristoff Meller

Lörrach. Zur Unterstützung von Ministerpräsident Erwin Teufel und CDU-Kandidat Martin Zeiher stand Helmut Kohl am 14. März 1996 – nur zehn Tage vor der Landtagswahl – in Lörrach auf der Bühne   und präsentierte sich „ganz als Staatsmann, Friedens- und Einheitskanzler“, wie unser Chefredakteur Guido Neidinger tags darauf berichtete.

KBC fertigte extra eine Krawattenfliege  

Mehr als 5000 Menschen wollten Kohl damals auf dem Marktplatz erleben. Ganz nahe kam   CDU-Stadtrat Ulrich Heuer dem Bundeskanzler bei seinem Auftritt: „Ich stand damals mit ihm auf der Bühne und habe ihm eine Krawattenfliege in Deutschlandfarben überreicht. Darüber hat er sich wahnsinnig gefreut. Die Fliege hatte die KBC extra für Kohl angefertigt“, erinnert sich Heuer im Gespräch mit unserer Zeitung.  Noch heute hängt bei Heuer zuhause ein Ankündigungsplakat der Wahlkampfveranstaltung mit der Überschrift „Der Kanzler kommt".

 Kohl sei ein sehr „menschlicher, sehr warmherziger Typ“ gewesen, erinnert er sich. Der Bundeskanzler habe innerhalb der Christdemokraten die „Nase nie hoch getragen" und sei darum bei der Parteibasis „unheimlich beliebt“ gewesen.

Einstündige Rede ohne „politischen Neuigkeiten"

Diese strömten in Scharen zur Kundgebung, wenngleich Kohl laut Guido Neidinger in seiner einstündigen Rede „keine politischen Neuigkeiten verkündete“, sondern lediglich bekannte Wahlkampfthemen aufwärmte. Für viele „politischen Freunde“ sei es allerdings „vielmehr um das Erlebnis Helmut Kohl“ gegangen.

Petra Höfler, heute CDU-Stadträtin, hatte damals nach eigener Aussage „noch gar nichts mit Politik am Hut“. Dennoch wollte sie „dieses Urgestein einfach mal sehen“. Auf dem Marktplatz habe es einen „Menschenauflauf ohne Ende“ gegeben, erinnert sich Höfler im Gespräch mit unserer Zeitung. Über die politischen Leistungen Kohls sei „alles geschrieben und gesagt“ worden, erklärt die Stadträtin. Dafür fallen ihr spontan drei Schlagworte zu Kohl ein: „Saumagen, Oggersheim und der Spendenskandal.“

Letzterer war 1996 noch lange nicht aufgedeckt, dennoch gab es auch in der Lerchenstadt kritische Stimmen zum Kanzlerauftritt. Neben einigen „Schreihälsen" neben dem „Wilden Mann“ gab es laut Neidinger auch ein Plakat mit der Aufschrift „Helmut Kohl – ein besserer Gag“. Die politischen Gegner verbanden den Bundeskanzler vor allem mit hoher Staatsverschuldung, Sozialabbau und Arbeitslosigkeit und nutzten den Lokaltermin, um ihren Frust loszuwerden.

„Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, Deutschland gewinnt und Helmut Kohl ist Bundeskanzler. Ich kannte das lange nicht anders“

Ein „zwiespältiges Verhältnis“  hat auch Ulrich Lusche, heute Fraktionsvorsitzender der Lörracher CDU, zum großen deutschen Staatsmann. Er gehört zu der Generation, die mit Kohl groß geworden ist:  „Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten, Deutschland gewinnt und Helmut Kohl ist Bundeskanzler. Ich kannte das lange nicht anders“, erklärt Lusche. „Als er Kanzler wurde, war ich gerade 14 Jahre alt, als er abgewählt wurde 30.“

Das „Urgestein der Nachkriegszeit“ habe natürlich „bleibende Verdienste“ errungen und eine in der damaligen Zeit wichtige Eigenschaft besessen: Hartnäckigkeit. Anfangs hätten viele den Politiker aus der „süddeutschen Provinz“ unterschätzt und ihm „nicht viel zugetraut, so Lusche. Dabei habe Kohl bei Themen wie der Wiedervereinigung und dem NATO-Doppelbeschluss viel Format gezeigt.

Gleichwohl habe er „ein Problem“ mit Kohls Schweigen im Zusammenhang mit der Spendenaffäre.  Auch ein verdienter Staatsmann könne sich „nicht über Recht und Gesetz stellen“, kritisiert Lusche. „Auch wie er mit Wolfgang Schäuble umgegangen ist, finde ich schwierig. Dennoch habe ich Respekt vor seiner historischen Leistung. Für mich war er prägend für einen Teil meiner Biografie.“

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