Lörrach „Bedürftige geraten in Verruf“

Die Oberbadische
Mit falschen Unterschriftenlisten sammeln die Täter für fiktive Organisationen. Symbolfoto: Meller Foto: Die Oberbadische

Polizei ist gegen betrügerische Sammler für fiktive Hilfsorganisationen fast machtlos

Von Kristoff Meller

Lörrach. Sie treten meist in kleinen Gruppen auf, haben eine Liste mit Unterschriften dabei und tun so, als wären sie gehörlos. Fast täglich sind derzeit Jugendliche in der Lörracher Innenstadt unterwegs und kassieren von leichtgläubigen Passanten Spenden für Hilfsorganisationen, die überhaupt nicht existieren. Die Polizei kennt das Problem, ist aber beinahe machtlos.

„Es sind bisher fast ausschließlich junge Menschen aus Rumänien, die im Raum Mulhouse wohnhaft sind“, erklärt Polizeisprecher Dietmar Ernst auf Anfrage. Diese seien in Banden organisiert und müssten das gesammelte Geld an Hintermänner abgeben. Während schon früher organisierte Bettlerbanden mit einem Becher in der Fußgängerzone saßen, gebe es seit einigen Wochen diese „Sammelbetrugs-Masche“. Von „diesem Übel“ sei laut Ernst das „gesamten Kreisgebiet“ betroffen. Ein Schwerpunkt bilde aber die Lörracher Innenstadt.

Die Beamten greifen laut Ernst regelmäßig ein, stellen die Personalien der Jugendlichen fest, beschlagnahmen das gesammelte Geld und erteilen einen Platzverweis. „Danach müssen wir sie auf freien Fuß setzen“, sagt Ernst. Doch am nächsten Tag seien bereits neue Jugendliche mit gefälschten Listen unterwegs, und die Streifen könnten nicht permanent die Gruppen verfolgen.

Der Polizeibeamte wundert sich allerdings auch über die Leichtgläubigkeit oder Gutmütigkeit mancher Passanten. Scheinbar reicht das Vorhalten einer Liste mit vermeintlichen Unterschriften und ein nettes Lächeln dazu, um Beträge von bis zu 20 Euro aus dem Geldbeutel zu holen.

Neben dem finanziellen Schaden der Betrugsopfer leide aber auch die Glaubwürdigkeit von Hilfsorganisationen und der Ruf von Gehörlosen. Anna Müller* (Name ist der Redaktion bekannt) absolviert gerade ein Studium zur Gebärdensprachdolmetscherin und wurde in dieser Woche ebenfalls in der Innenstadt von Jugendlichen angesprochen, „die angeblich Geld für den Bau eines Zentrums für Taubstumme“ sammelten und sich als Gehörlose ausgaben. Sie versuchte mit ihnen in Gebärdensprache zu kommunizieren, was natürlich nicht funktionierte.

Müller beklagt, es sei schlimm, „wenn tatsächliche Gehörlose, die alles können außer hören und in keinster Weise auf Betteln angewiesen sind“, durch diese Betrüger „in Verruf geraten“.

Dietmar Ernst rät den Passanten dazu, bei Spendensammlungen in der Innenstadt grundsätzlich vorsichtig zu sein und sich genau erklären zu lassen, wofür gesammelt wird. Die Banden ließen sich relativ leicht entlarven. Ein „größerer Kontrolldruck“ durch Polizeibeamte hätte hingegen gezeigt, dass sich dadurch nur ein „Verschiebungseffekt“ erreichen lasse. „Die Gruppen ziehen dann beispielsweise nach Weil am Rhein weiter, nächste Woche sind sie in Schopfheim und in drei Wochen wieder in Lörrach“, beklagt Ernst. „Für uns ist es wichtig, dass die Bevölkerung informiert und gewarnt ist. Denn wenn die Banden kein Geld mehr bekommen, ziehen sie irgendwann von selbst weiter.“

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