Lörrach Bei ihm kriegt jeder sein Fett weg

Die Oberbadische
Foto: Sarah Trinler Foto: Die Oberbadische

Lesung: Kult-Kolumnist Harald Martenstein liest in der Buchhandlung Osiander

Was als Lesung angekündigt war, glich vielmehr einem Kabarettabend: Tränen wurden am Mittwoch in der Buchhandlung Osiander gelacht, denn der bekannte Kolumnist des „ZEITmagazins“, Harald Martenstein, bot einen Streifzug durch seine lustigsten Texte.

Lörrach. „Mir ist heute irgendwie nach maskulin-humoresken Themen – muss wohl an der Lörracher Luft liegen“, schmunzelt der Autor und liest aus seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Nettsein ist auch keine Lösung“.

Vor Martensteins Kolumnen ist niemand gefeit, er schreibt über alles und jeden: „Ich will von allem die absurde Seite finden.“ Und je nach dem, wie lautstark sich die Betroffenen aufregen – Feministinnen und Buddhisten seien die schlimmsten –, schreibt er noch öfters über sie. „Damit sie sich dran gewöhnen“, sagt der Journalist.

Als Vater von zwei Kindern hat sich Harald Martenstein öfters mal nach dem Sinn des Kinderkriegens gefragt – besonders dann, wenn die Kinder in die Pubertät kommen. Nur damit, wenn man alt ist, jemand an Weihnachten anruft? Das könnte man auch billiger haben, meint Martenstein. Klar, man liebt sein Kind. Aber würde man auch seinen Partner lieben, wenn der- oder diejenige sich im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft, um einen Lolli zu bekommen?

In seinen Texten macht sich der Kolumnist auch Gedanken über das Älterwerden – den „körperlichen Niedergang“. Er selbst hört schlechter als früher, besonders wenn viele durcheinander sprechen. Dann heißt es: Zugewandt sein, regelmäßig nicken, nett lächeln und ab und zu mal einen Ausdruck wie „Gute Frage“ einwerfen. Ein Hörgerät komme für den Journalisten nicht in Frage. Denn neuerdings werde er öfters als „guter Zuhörer“ bezeichnet – dies sei ihm, als er noch besser hören konnte, nie gesagt worden. Zudem finde man, wenn man nicht alles versteht, viele Menschen sympathischer. „Wenn wir alle schwerhörig wären, hätte dieses Land eine Zukunft“, sagt Martenstein.

Wenn aus „Sprößlingen“ „Gesprossene“ werden

Schon nach kurzer Zeit hat der Journalist die zahlreichen Zuhörer für sich gewonnen. Die meisten waren bereits Fans seiner wöchentlichen Kolumnen, doch ist es natürlich etwas anderes, diese vom Autor vorgetragen zu bekommen. Martenstein versteht es, Pausen zu setzen, mit Lautstärke und Betonung zu spielen und seine Mimik sprechen zu lassen.

Auch die Diskussion um das Wort des Jahres 2015 „Flüchtling“ beschäftigte Martenstein. Viele sind der Meinung, dass Worte mit der Endung „-ling“ nicht mehr verwendet werden sollten, da sie abwertend klingen. Stattdessen solle man „Geflüchteter“ sagen. „Aber was wird dann aus dem Zwilling?“, fragt sich der Kolumnist. Mit „Gezwillter“ tut er sich noch etwas schwer. Aus seinen „Sprößlingen“ „Gesprossene“ zu machen, sei aber kein Problem. Man müsste allerdings mal drüber nachdenken, wie lange der schöne Schmetterling noch mit diesem belastenden Namen umherfliegen müsse.

Humor habe fast immer etwas mit Tabubruch zu tun, sagte Martenstein vorweg, um dann auf ein kurioses Thema zu kommen: In der New York Times sei tatsächlich mal eine Umfrage gestartet worden, ob man, falls man eine Zeitmaschine besäße, ins Jahr 1889 reisen würde und das Baby Adolf Hitler töten würde. 42 Prozent der Leser hatten mit „Ja“, 30 Prozent mit „Nein“ und 28 Prozent mit „Weiß nicht“ geantwortet. Man könnte das Baby entführen, in die Gegenwart reisen und es in eine inklusive Waldorfschule stecken, schlägt Martenstein vor.

Absurdität aus Amerika

Und der Kolumnist bringt noch eine weitere Absurdität aus Amerika zu Tage: Es gibt eine Internetseite, auf der Fotos von Katzen, die Hitler ähnlich sehen, gesammelt werden. „Man nennt sie Kitlers“, erzählt der Journalist.

Nach der Lesung nutzten die Zuhörer die Gelegenheit, Martenstein über seine Arbeit als Kolumnist zu befragen. Jede Woche ein Thema zu finden, sei nach all den Jahren natürlich nicht mehr so einfach, „aber es hat noch immer geklappt“, sagte Martenstein. Am liebsten schreibe er in einem abgedunkelten Raum – dann wirke das Laptop wie ein Lagerfeuer. Ein älterer Herr, der sich als großer Fan des Kolumnisten entpuppte, stand zum Schluss auf und sagte zu Martenstein: „Leben Sie gesund, damit ich auch in Zukunft noch was zum Lachen habe.“

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