Lörrach. „Neosalafismus in Deutschland“ ist der Titel eines Vortrags, den Thomas Volk am Dienstag, 24. Februar, 19.30 Uhr, im Alten Rathaus, Untere Wallbrunnstraße 2, hält. Die Veranstaltung ist eine Kooperation der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Volkshochschule Lörrach. Im Vorfeld seines Vortrags sprach Beatrice Ehrlich mit Thomas Volk, dem Koordinator für Islam und Religionsdialog bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Warum sprechen Sie von Neo-Salafismus" Der Salafismus ist eine Form des Islamismus, der eine besonders wortgetreue Auslegung des Korans verfolgt. In Abgrenzung zum eigentlichen „Salafiiya“-Begriff, der sich auf die ersten drei Generationen nach Muhammad bezieht, nennen wir das, was sich in den vergangenen Jahren unter diesem Namen entwickelt hat „Neo-Salafismus“. Warum wirkt der Neo-Salafismus so anziehend auf manche junge Menschen" Er gibt scheinbar einfache Antworten auf komplexe Fragen. Die Welt wird in Schwarz und Weiß gezeichnet, Gewalt verherrlicht, Verschwörungstheorien verbreitet. Zudem ist die Umma, also die Gemeinschaft aller Muslime, hier ethnizitätsblind: Sie wendet sich an Einwandererkinder der dritten und vierten Generation in ihrer Sprache – also auf Deutsch – egal ob die Großeltern aus Bosnien, aus der Türkei oder aus Marokko stammen. Junge Menschen, die sich auf der Suche befinden, fühlen sich besonders angesprochen durch die Nähe zu ihren Alltagssorgen, sei es in der Familie oder im Beruf. Viele von ihnen sind in Wirklichkeit religiöse Analphabeten, fühlen sich nur durch ihre Herkunft dem Islam verbunden – der radikalen Islam-Interpretation der salafistischen Prediger haben sie nichts entgegenzusetzen. 54 der 378 namentlich bekannten aus Deutschland in die Kriegsgebiete nach Syrien und Irak Ausgereisten sind deutsche Konvertiten. Die Radikalisierungsverläufe haben übrigens ähnlich wie bei Rechtsextremen auch gar keinen islamischen Hintergrund. Haben Sie schon einmal mit einem Salafisten gesprochen" Nein. Welche Bedeutung hat Gewalt im Neo-Salafismus" Die Brutalität, Radikalität und Rigorosität des Islamischen Staates etwa in den zahlreichen Enthauptungs-Videos – übt eine große Anziehungskraft auf junge radikalisierte Muslime aus und wirkt in ihrer Direktheit auf viele sogar noch „authentischer“ als Al-Qaida. Das übt auf junge Männer, die nach Halt suchen, eine große Attraktivität aus. Welche Rolle spielt das Internet" Das Internet beschleunigt den Radikalisierungsprozess immens. So lagen in manchen Fällen zwischen der ersten Kontaktaufnahme mit Anhängern der Terrororganisation Islamischer Staat im Internet und der Ausreise nach Syrien um in dessen Reihen zu kämpfen, lediglich sechs Monate. Ist der Neo-Salafismus ein vorübergehendes Phänomen" Nein, das kann ich im Moment nicht so sehen. Es ist eine Bewegung die weiter anzuwachsen droht. Wir stehen vor der Heranbildung einer neuen Generation neosalafistischer Islamisten mit hoher Tendenz zur Gewaltbereitschaft. Der Blick auf die Vorgänge der vergangenen Wochen zeigt, dass zunehmend radikalisierte Einzeltäter in Erscheinung treten, was eine effektive Präventionsarbeit noch wichtiger werden lässt. Was kann unsere Gesellschaft dem entgegensetzen" Notwendig ist eine historisch-kritische Koranexegese, auch an den 2011 an vier Orten in Deutschland ins Leben gerufenen Zentren für islamische Theologie. Der Koran ist eine Offenbarungsschrift des 7. Jahrhunderts. Stellen, die sich explizit auf Gewalt beziehen, müssen heute unter einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet werden als im damaligen Kontext einer Stammesgesellschaft, die sich immer wieder auch in kriegerischen Auseinandersetzungen befand. An den Schulen sollte flächendeckend Islamunterricht eingeführt werden, um den islamistischen Predigern etwas entgegenzusetzen. Auch im Internet sollten Videos platziert werden, die einen natürlichen, positiven Islam zeigen. In den Justizvollzugsanstalten sollten öffentlich bestellte muslimische Seelsorger für die Gläubigen zu sprechen sein. Man darf den Salafisten nicht die Deutungshoheit über den Koran überlassen, das ist eine Herausforderung in Deutschland und Europa. Was soll man tun, wenn sich jemand im Familien-/Freundeskreis zunehmend radikalisiert" Wenn man merkt, dass jemand beginnt, sich für den Neo-Salafismus zu interessieren, dann sollte man intensive Gespräche führen, darüber, was die Person in diese Richtung lenkt, und was ihm womöglich bisher in seinem Leben fehlt, dann aber auch möglichst bald den Kontakt zu einer professionellen Beratungsstelle suchen. Für Familien ist das insbesondere die Hayat-Beratungsstelle, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützt wird. Worauf wird der Schwerpunkt des Vortrags liegen" Mein erster Schwerpunkt wird auf der Definition von Begriffen wie Islamismus oder Dschihad liegen, die mit Salafismus oft in einen (oft falschen) Zusammenhang gestellt werden. Ein weiterer Punkt wird die Beschreibung salafistischer Milieus in Deutschland sein. Außerdem kann das Publikum Fragen zum Thema stellen.