Lörrach Das hohe Lied auf die arbeitende Klasse

Die Oberbadische

Stimmen-Festival: Billy Bragg und „The Bianca Story“ begeistern im Lörracher Rosenfelspark

Von Gerd Lustig

Lörrach. Ob er nun der Höhepunkt des diesjährigen Stimmen-Festivals war, wie es Festival-Leiter Markus Muffler schon vor Beginn verkündete, sei mal dahingestellt. Dass dieser Billy Bragg, eigentlich Stephen William Bragg, aber einmal bei Stimmen dagewesen sein muss, das hätten nach dem zweistündigen Auftritt im Lörracher Rosenfelspark am Samstagabend wohl alle unterschrieben.

Denn was der 56-Jährige jetzt mit seiner Vier-Mann-Combo bot, war schon etwas ganz Spezielles. Der Abend ging weit über die Musik mit ihren Country-, Folk-, Blues- und Punk-Einflüssen hinaus. Bragg, der leidenschaftliche Antifaschist, der Protest-Singer/Songwriter und auch schon als Aktivist der linken Bewegung und soziales Gewissen Englands bezeichnet, hat eine klare Botschaft: Zusammenzustehen und zu kämpfen, und da vor allem auch gegen sich selbst.

„I always fight against cynicism, and I also fight in this way against me“, bekennt der begnadete Storyteller. Dass wegen seines geradezu kultivierten Cockney-Akzents nicht immer alles zu verstehen ist oder verstanden wird, ficht weder das Publikum, noch der aus Barking/Essex stammende und inzwischen in London lebende Bragg an. Im Gegenteil: Nicht alles muss hundertprozentig stimmen, aber die Richtung, betont er.

Bragg singt gegen Faschisten, Rassisten, Großkapitalisten und das elitäre Kastendenken der oberen Klasse, er wettert gegen Bosse, gegen Diskriminierung und Fremdenhass, propagiert hingegen schon eher das hohe Lied auf die arbeitende Klasse und die Verteidigung der Rechte. Hierbei orientiert er sich oft an dem Urvorbild aller Sängeraktivisten mit dem sozialen Gewissen Woody Guthrie, zu dessen 100. Geburtstag im Jahr 2012 er auch in Zusammenarbeit mit Tochter Nora Guthrie und der Band „Wilco“ Song- und Textmaterial des Verstorbenen zu einer kompletten Session verarbeitet hatte.

Allerdings: Dort, wo einst scharfkantige Protestsongs seinen Weg säumten, nimmt er nun seine Zuhörer mit, gefangen in großen Balladen über menschliche Beziehungen, und das alles mit einem wunderbaren sanften und aufrichtigen Ton.

Soziale Kritik bleibt weiterhin ein fester Bestandteil seiner Texte, jedoch befasst er sich auch zunehmend mit persönlichen Anliegen wie Kindheitserinnerungen, Beziehungen und Liebe. Rief er früher eher gegen etwas auf, so setzt er sich heute für etwas ein: für eine gerechtere Gesellschaft, für mehr Mann im Mann, für mehr Integration, auch für eine aktivere Mitbeteiligung größerer Schichten und letztlich eine eigene, neue Identität.

Nach eher gediegenerem Programm lässt es Billy Bragg gegen Ende mit „California star“, „A new England“ und „Accident“ sowie vor allem bei der 25-minütigen Zugabe nochmals so richtig krachen. Hier kommt denn auch bisweilen der einst öfter in die Musik integrierte Punk zum Tragen. Billy Bragg – eben ein Mann der es versteht, sich immer wieder neu zu justieren.

Für einen schwungvollen Beginn dieses beeindruckenden Abends hatte zuvor die Basler Formation „The Bianca Story“ gesorgt. Gefällige Melodien, ein klarer, tanzbarer und basslastiger Sound, dazu perfekte Schlagzeugperformance: Schnell macht sich bei der Gute Laune-Musik um den Frontmann, Sänger und Gitarristen Elia Rediger gute Stimmung breit.

Rediger selbst, zeigt sich vom Flair des Lörracher Rosenfelsparks beeindruckt, macht einen Ausflug ins Publikum, spricht vom „Montreux von Basel“ und dreht, angeführt von seiner sonoren Stimme, bei Songs wie „Coming home“, „Brand new vision“, „Bird rocket“ oder auch „Dancing people“ meist am großen Regler der musikalischen Unterhaltung – ein wirklich schöner Abend im Rosenfelspark.

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