Der Schulentwicklungsprozess bewegt Schüler und deren Eltern ebenso wie Lehrer und Politiker. Beim Informationsabend der Stadt konnte die Aula des Hans-Thoma-Gymnasiums (HTG) die große Zahl der Gäste kaum aufnehmen. Diskutiert wurde kontrovers, aber fair.

Von Bernhard Konrad

Die Verwaltungsspitze
Oberbürgermeister Jörg Lutz betonte die ergebnisoffene Gestaltung des Prozesses, über den der Gemeinderat noch vor der Sommerpause entscheiden soll. Bürgermeister Michael Wilke erläuterte die dynamische Entwicklung der Schullandschaft, für die in ihrer Gesamtheit Weichen gestellt werden sollen: „Es geht nicht um Einzelstandorte.“

Der Wissenschaftler
Ein Ziel des Prozesses ist die Stärkung der „zweiten Säule“, die künftig neben den Gymnasien das Schulsystem bilden wird.

Thorsten Bohl, Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik, begleitet den Prozess – er skizzierte den Stand der Forschung. Die „zweite Säule“ nimmt zum einen die Werkrealschule in sich auf, bietet den Mittelbau der Bildung an und ermöglicht den Übergang an berufliche Gymnasien.

Bohl würdigte die Arbeit der Realschulen. Indes sei ein „Knackpunkt“, ob die „zweite Säule“ ab der 5. Klasse auch ein gymnasiales Angebot biete solle. Dies kann die Gemeinschaftsschule (GS) im Prinzip leisten. Damit diese Facette des GS-Modells funktionieren kann, sollte rund ein Drittel ihrer Schüler gymnasiale Befähigungen mitbringen. Derzeit ist dies bei rund zehn Prozent der Kinder der Fall. Die für die GS angestrebte Entwicklung sei auf dem Campus Rosenfels in Kooperation mit dem HTG möglich. Am Standort Neumatt sei dies kaum zu erreichen.

Die GS werde sich dort aller Voraussicht nach zur „Restschule“ entwickeln. Das heißt: Sie würde von Eltern, die sich eine gymnasiale Bildung für ihr Kind wünschen, gemieden. Zumal die Sogwirkung eines rein gymnasialen Campus zu groß wäre. Diese Entwicklung gelte es zu vermeiden, denn sie fördere gesellschaftliche Ungleichheit. Das Hebel-Gymnasium bliebe dagegen auch in der Neumatt attraktiv. Bohl erläuterte die sechs entwickelten Szenarien, sowohl die drei zunächst von den Workshopteilnehmern erarbeiteten, als auch die von ihm und seinem Team eingebrachten Varianten 4, 5 und 6 – Letzteres erwies sich als mehrheitsfähig (wir berichteten). Ein ebenso ausbalanciertes, gleichwertiges Szenario, so Bohl, gebe es nicht. Deshalb wurde keines als Alternative empfohlen.

Die Diskussion
In der Diskussion gab Hermann Harrer unter anderem zu bedenken, dass sich auch der gymnasiale Zweig der FES in der Neumatt sehr gut entwickle. Zudem zerstöre das Szenario 6 funktionierende Strukturen auf dem Campus.

Eine Bürgerin betonte dagegen, sie sehe einer GS auf dem Campus positiv entgegen. Das Modell müsse aber richtig aufgegleist und organisiert werden.

Eine andere Stimme zeigte sich davon überzeugt, dass die GS in der Neumatt funktioniere, wenn entsprechend in die Schule investiert werde.

Mehrere Wortmeldungen bezogen sich auf die unklare Höhe der Kosten für die einzelnen Varianten. Auch wenn zunächst von den Inhalten her gedacht werde, könne dieser Aspekt bei der Entscheidung nicht vernachlässigt werden.

HTG-Elternbeiratsvorsitzender Ralf Kästingschäfer sagte: „Was wäre das für eine Kooperation mit dem Hebel-Gymnasium, wenn wir sie über eine Distanz von zwei Kilometern nicht aufrecht erhalten könnten"“

Stimmen aus der Theodor-Heuss-Realschule bezeichneten die in Aussicht gestellte bessere Kooperation mit den beruflichen Schulen im Grütt als konstruiert. Zudem seien die Räumlichkeiten am jetzigen GS-Standort auch mit dem geplanten Anbau nicht ausreichend für die THR

Eine andere Wortmeldung wies darauf hin, dass die Perspektive eines Umzugs für drei Schulen das Schulleben negativ beeinflussen werde.

Ein Vater brachte seine Befürchtung zum Ausdruck, dass das favorisierte Szenario letztlich mehr Probleme als Lösungen schaffe.

Der Ton der Diskussion blieb moderat. Die Argumente der Gegner des Szenarios 6 erkannte Bohl an – überzeugen konnten sie ihn aber nicht. Zumal, wie er betonte, niemand eine echte Alternative bieten könne. Es gebe letzten Endes kein Szenario, das alle glücklich mache.

Abschließend bat HTG-Direktor Frank Braun Verwaltungsspitze und Stadträte, alle Beteiligten in diesem Prozess mitzunehmen. Auch angesichts des großen Engagements, mit dem in Lörrach die Schullandschaft entwickelt wurde, bat er unabhängig vom Ergebnis darum, nicht vorschnell Fakten zu schaffen und dann erst zu schauen, ob diese in der Praxis tatsächlich funktionierten.

Kommentar zum Thema