Lörrach Der Verbraucher hat alle Macht

Die Oberbadische
Astrid Deek vom TRUZ stellte in ihrem Vortrag die Frage: „Regionalvermarktung – echt nachhaltig?“ Foto: Veronika Zettler Foto: Die Oberbadische

„fairNETZt“: Direktvermarkter und Verbraucher diskutierten im Nellie Nashorn über tragfähige Konzepte

Um Direkt- und Regionalvermarktung ging es bei einer Infoveranstaltung, zu der die Initiative „fairNETZt“ am Mittwoch ins Nellie Nashorn eingeladen hatte. Bei der dreistündigen Diskussion wurde das komplexe Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Von Veronika Zettler

Lörrach. Rechenaufgabe: Ein Kilo Äpfel kostet im Laden zwei Euro. Davon sind 25 Cent der Großhandelspreis, 1,26 Euro die Handelsmarge und 14 Cent Umsatzsteuer. Wie viel bleibt für den Obstbauern? Richtige Antwort: Zu wenig. Das Beispiel, das Gartenbauingenieur Klaus Nasilowski als Fachberater des Landkreises präsentierte, veranschaulicht, warum die Direktvermarktung – also der Verkauf ohne Umwege über den Handel – für viele Landwirte existenzwichtig ist.

Sei es der gute alte Wochenmarkt, sei es der Verkauf am Straßenrand oder das Feld zum Selberpflücken: Im Landkreis werden verschiedene Wege der Selbstvermarktung beschritten. Es gibt 30 Hofläden (unter denen die großen den kleinen zu schaffen machen), drei Mühleläden, über 20 Selbstvermarkter bei Fleisch, Eiern und Milchprodukten, 50 Imker, 15 selbstvermarktende Winzer. Gleichzeitig ist die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe im Kreis (aktuell sind es 1023) weiter rückläufig, wie Nasilowski darstellte. Im Obstbau konstatiert er einen Rückgang von mehreren 100 auf 15 bis 25 zukunftsfähige Betriebe.

Für wen ist die genossenschaftliche Vermarktung eine Alternative? Als eine von fünf Genossenschaften für Obst und Gemüse in Baden stellte Nasilowski den Erzeugergroßmarkt Südbaden (Oberrotweil) vor. Er hat 260 anliefernde Mitglieder (90 aus dem Kreis Lörrach) und verkauft auch an die sogenannten „Big 5“ im Lebensmittelhandel: Aldi, Edeka, Rewe, Schwarz (Lidl, Kaufland), Metro (Real). Die großen Fünf sind es wiederum, bei denen 90 Prozent der Verbraucher ihre Lebensmittel holen.

Und hier liegt der Hund begraben. „Der Verbraucher hält alle Macht in der Hand“, stellt Initiator Frank Leichsenring von „fairNETZt“ klar. Obwohl das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Regionalität in aller Munde ist, sei der Verbraucher offenbar nicht in der Lage, daraus richtiges Handeln abzuleiten. Stefan Berg von der Demeter-Gärtnerei Berg in Binzen veranschaulicht das Dilemma anhand der Cocktail-Tomaten, die er zum Probieren mitgebracht hat: „Jeder will Cocktailtomaten. Aber bitte schon im März. Aber Heizen soll man nicht“, meint er sarkastisch.

Astrid Deek vom Trinationalen Umweltzentrum (TRUZ) sprach in ihrem differenzierten Vortrag über nachhaltige Regionalentwicklung und stellte als deren tragende Säulen ökonomische, ökologische sowie soziale Nachhaltigkeit heraus. Alle drei sind beim Hof Dinkelberg in Wiechs von gleich wichtiger Bedeutung, wie Geschäftsführer Markus Hurter darlegte. 30 Mitarbeiter plus weitere 30 betreute Mitarbeiter mit einer Behinderung bewirtschaften 100 Hektar Fläche.

Welche weiteren Vermarktungsformen es gibt, erörterten die Teilnehmer im Laufe des Abends. Mit dabei war Volker Weiß vom SAK Lörrach, der Kinder an landwirtschaftliche Produktion heranführt, Gerda Müller vom Obst- und Gemüsehof Müller in Haltingen und Vorsitzende des Direktvermarkterverbunds „Bestes aus Südwest, außerdem Hansjörg Matt von „Anetts Buurelade“ in Minseln sowie der Landwirt Günter Grässlin aus Schallbach, der klarmachte, dass man auch mit 200 Viechern und eigener Käseproduktion nicht auf Rosen gebettet ist. Die wichtigste Frage blieb: Wie kann man das Bewusstsein der Verbraucher schärfen? Die Teilnehmer wollen im Gespräch bleiben.

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