Lörrach „Die Angst verlässt einen nie“

Die Oberbadische

Das Lörracher Jahrbuch 2014 beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Alltag im Ersten Weltkrieg

Von Kristoff Meller

Lörrach. Weniger Themen, dafür mehr Tiefgang mit einem persönlichen Blick auf die Jahre 1914 bis 1918 und den Kriegsalltag in Lörrach: Der Schwerpunkt des 20. Lörracher Jahrbuchs liegt auf dem 100-jährigen Jubiläum des Ersten Weltkriegs. Mit dem runden Geburtstag der halb so alten Lebenshilfe Lörrach und dem Thema Inklusion greift das Buch weitere Themen auf.

Kanonendonner, nächtliche Fliegerangriffe und der Blick auf das „Füür im Elsass“ von der Tüllinger Höhe – die von Zivilisten nicht mehr betreten wurden durfte. „Für die Menschen war dieser Krieg weitaus gegenwärtiger als der unserem Bewusstsein näher stehende Zweite Weltkrieg“, schreibt Herausgeber Waldemar Lutz gleich auf der ersten Seite des 58 Seiten umfassenden Hauptartikels. Dieser basiert größtenteils auf den Aufzeichnungen der damals 16-jährigen Lörracherin Elisabetha Rigling, welche Stadtarchivar Andreas Lauble 100 Jahre danach zufällig in die Hände bekam und schnell den Wert der Dokumente erkannte.

Rigling führte eine Art Kriegstagebuch, das sie mit eingeklebten Erinnerungsstücken ergänzte. Um ein gesamthaftes Bild darstellen zu können, hat Lutz den Artikel um Ausschnitte aus unserer Zeitung, Annoncen sowie Fotos aus der Sammlung von Michael Fautz, dem Stadtarchiv und dem Dreiländermuseum ergänzt. Insgesamt hat er nach eigener Aussage rund 1500 Zeitungen durchgearbeitet, während Andreas Lauble Riglings Aufzeichnungen ausgewertet hat – die Fleißarbeit der beiden Autoren hat sich gelohnt.

Die schlimmste Bombennacht erlebte Lörrach am 13. Oktober 1916. Rigling schildert detailliert die acht Einschläge in der Innenstadt, die drei Tote zur Folge hatten: „Die Angst vor dem nächsten Angriff verlässt einen nie. Es ist eine ewige Unruhe über den Menschen“, schreibt sie dazu.

Aufgrund der außergewöhnlichen Quellenlage gelinge es, „die Epoche so intensiv und lebensnah aufleben zu lassen, wie dies noch nie für einen geschichtlichen Zeitbericht über Lörrach möglich war“, erklärt Lutz. Interessant auch der Blick auf die Verknüpfung weltpolitischer Ereignissen mit dem lokalen Geschehen: Während am 28 . Juni 1914 in Sarajevo das Thronfolger-Paar getötet wird, ist in der Lerchenstadt die größte Schreckensnachricht der ertrunkene Sohn eines Schneidermeisters, der beim Spielen auf der Waschbrücke bei der KBC verunglückte. Ansonsten dominiert ein Sommertheaterstück die Lokalpresse.

Am Rande der Recherchen zum Ersten Weltkrieg stieß die Jahrbuch-Redaktion auch auf interessante Nebengeschichten. Göckel hat sich unter dem Titel „Erinnert – nach 100 Jahren“ mit den Nachkommen von Zeitzeugen getroffen. „Gibt es unter freiem Himmel noch Überbleibsel des Ersten Weltkrieges?“, hatte sich Göckel unter anderem gefragt. Ja, auf dem Tüllinger Berg gab es eine Seilbahn zur Truppenversorgung, deren Fundament noch heute – wenn auch von der Natur überwuchert – existiert.

Doch trotz des deutlichen Weltkriegs-Schwerpunkts, die 20. Ausgabe des Jahrbuchs ist nicht nur für historisch Interessierte lesenswert. Mit dem Beitrag „Ein Leben (fast) wie andere auch“ stellt Wolfgang Göckel anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Lebenshilfe Lörrach ein Thema in den Mittelpunkt, das in Zeiten der überall geforderten Inklusion aktueller denn je ist. Das Porträt über die Einrichtung mit vielen Momentaufnahmen des Alltags und der Beleuchtung zahlreicher Einzelpersonen zeigt, wie vielfältig und wichtig der Betrieb ist und ließ auch den Autoren staunen. Die Lebenshilfe habe einen großen Anteil daran, dass „Menschen mit Behinderung so selbstbestimmt ihr Leben führen können wie nie zuvor“, schreibt Göckel.

Komplettiert wird das Buch durch die Rubrik „Stadt im Wandel“, die neben der Zollfreien Straße auch das veränderte Gesicht des Neumattgebietes, die Velostation und die neuen Kindertagesstätten beleuchtet. Selbst das bislang nur als Skizze existierende „Schöpflin-Quartier“ in Brombach findet auf einer Doppelseite Erwähnung und gibt dem Leser die Möglichkeit, zu erahnen, wie sich das Areal künftig verändern wird.

Dazu kommt wie immer eine umfassende „Lörracher Chronik“, in der Göckel die wichtigsten Ereignisse im Jahresverlauf der Lerchenstadt gesammelt und mit Infotexten sowie zahlreichen Fotos zusammengefasst hat.

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