Die frostige Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat für die Rebstöcke am Tüllinger Berg dramatische Folgen: „70 bis 80 Prozent der ersten Triebe auf Lörracher Seite sind erfroren, auf Weiler Gemarkung waren sogar fast alle braun“, erklärte Winzer Karlheinz Ruser am Freitag bei einer Ortsbegehung.

Von Kristoff Meller

Lörrach. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint auf die Rebstöcke am Tüllinger, und es ist frühlingshaft warm. Für den Laien, der durch den Weinberg wandert, sind die massiven Schäden kaum sichtbar. Der Experte hingegen erkennt sie sofort. Besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurden die tieferen Lagen  Richtung Stetten und Riehen. „Durch die angrenzenden Bäume konnte die Kälte nicht entweichen und hat sich festgesetzt“, erklärt Ruser. „Wir hatten ja schon öfters Frostschäden oder wie im letzten Jahr auch Probleme mit Hagel, aber so großflächige Schäden habe ich noch nie erlebt.“

Das hängt auch mit der Großwetterlage zusammen: Die Haupttriebe waren aufgrund der warmen Witterung vor Ostern für diese Jahreszeit  bereits sehr weit ausgetrieben – rund vier bis sieben Zentimeter. „Das sind genau die, die für uns besonders wichtig sind“, so Ruser. Zwar gebe es noch die sogenannten „Nebenaugen“ unter den Knospenschuppen, die erst im Mai austreiben, diese seien aber meist weniger fruchtbar. „Es kann noch ein paar Trauben geben, aber das meiste ist kaputt“, sagt Ruser.

Der einzige hauptberufliche Lörracher Winzer besitzt 5,2 Hektar Rebstöcke am Tüllinger Berg, wirklich schützen konnte er diese vor der Frostgefahr nicht.  Bei kleinen Anbaugebieten könne man mit Feuern oder großen Kerzen für etwas Wärme sorgen, bei einer so großen Zahl sei das „nicht umsetzbar“.  

Auch die in Württemberg erprobte Luftverwirbelung mittels eines Hubschraubers sieht er skeptisch: „Das funktioniert nur bei reinem Bodenfrost, bei uns war aber auch die Luftschicht darüber flächendeckend zu kalt“, sagt Ruser, der am Donnerstagmorgen drei Grad Minus im Weinberg gemessen hat. Zumal diese Methode mit erheblichen Kosten und Lärmbelästigung verbunden wäre.

Die auf den Obstplantagen am Bodensee eingesetzte Bewässerung, um die Blüten durch eine dünne Eisschicht zu schützen, sei ebenfalls keine Option. „Die Pflanzen müssten permanent mit Wasser besprüht werden, dafür braucht es eine entsprechende Bewässerungsanlage“, erklärt Ruser.

Für den hauptberuflichen Winzer bedeuten die Schäden massive Einbußen, existenzgefährdend sei die Situation jedoch nicht: „Einen solchen Jahrgang können wir verschmerzen, aber es darf nicht zwei Jahre nacheinander vorkommen.“ Die letzten beiden Jahre seien glücklicherweise sehr ertragsreich gewesen, weshalb im Keller noch Wein lagere und manche Sorten auch erst vor dem Herbst abgefüllt werden. Beim Gutedel könnte es aber einen „Engpass“ geben, da dessen Rebstöcke  empfindlicher als andere Sorten auf die Kälte reagieren und am stärksten betroffen seien.

Ruser rechnet mit „Engpass“ beim Gutedel und höheren Preisen

Generell rechnet der Winzer  mit deutlich höheren Preisen für die Tropfen der Region, da es  im ganzen Markgräflerland, dem Breisgau und der Ortenau massive Schäden gab: „Die Preise werden anziehen, dass Wein wie in den vergangenen Jahren teils zu Dumping-Preisen verkauft wird – das kann nicht funktionieren.“

Weniger Arbeit haben Ruser und seine Kollegen durch den Ertragsausfall nun aber keineswegs: „Die Rebstöcke sind ja zum Glück nicht ganz kaputt und treiben im nächsten Jahr wieder aus. Wir müssen also genauso Laubarbeit machen, den Boden bewirtschaften und uns um die übrig gebliebenen Triebe kümmern. Arbeit gibt’s genug, Spaß macht es aber keinen, zwischen all den erfrorenen Trieben zu arbeiten.“