Von Willi Vogl Basel. Daniil Trifonov kann alles spielen. Mit einer Technik, die scheinbar keine Beschränkung kennt, gewann er 2011 den Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv und den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Der am Gnessin-Institut Moskau ausgebildete 23-jährige Pianist füllt inzwischen die großen Konzertsäle der Welt. Am Montag kehrte der ehemalige „Rising Star“ für die Reihe „Solistenabende“ der Allgemeinen Musikgesellschaft (AMG) nach Basel zurück. Wie zu Lebzeiten Franz Liszts bilden auch heute noch vor allem artistisch angereicherte Werke die Attraktion. Tradition verpflichtet. Auch Trifonov setzte auf Vertrautes und zelebrierte in seinem konzertanten Salon klingende Reliquien von Igor Strawinsky, Claude Debussy, Maurice Ravel und Franz Liszt. Knapp 90 Jahre nach ihrer Entstehung ist inzwischen auch Strawinskys „Serenade in A“ in diesem Sinne salonfähig. Die Musterbildungen der Serenade von zerstückelter Hymne bis motorischem Rondoletto mögen seinerzeit frech geklungen haben. Heutzutage erscheinen sie eher manierlich und beinhalten für uninspirierte Interpreten zudem die Gefahr, beim Publikum gelangweiltes Gähnen zu erzeugen. Nicht so bei Trifonov. Mit allzeit wachem Blick auf die zeittypischen Details der Komposition wurde die Musik unter seinen Händen zu einem klangsinnlichen wie kontrastreichen Faszinosum. Als Zauberer mannigfaltiger Farbschattierungen erwies sich Trifonov in Claude Debussys „Hommage á Rameau“. Hier und noch stärker in Maurice Ravels vielgestaltigem „Miroirs“ hatte man immer wieder den Eindruck, dass die Musik am absoluten dynamischen Tiefpunkt angelangt sein. Doch oft folgte darauf ein weiteres Absacken auf die nächst leisere Klangebene. Dies geschah unabhängig von der jeweiligen Bewegungsdichte. Delikat herausgetupfte Melodietöne über sanft wogenden Klangwellen in höchster Lage oder spanisches Kastagnettenkolorit mit aberwitzig schnellen Repetitionen erzeugten staunende Atemlosigkeit. Massivste Klangballungen verstand Trifonov innerhalb kürzester Zeit in mystisch pulsierende Klanggebilde zurückzuführen. Diese Meisterschaft des Übergangs war auch in den „Douze Etudes d’exécution transcendante“ von Franz Liszt gefragt. Die vergleichsweise schlichten Harmonien Liszt’scher Musik sind in besonderem Maße auf die differenzierte klangliche Beherrschung transzendentaler Spielfiguren angewiesen. Trifonovs große Hände und ihre äußerst beweglichen Finger bilden hierzu wesentliche Voraussetzungen. Seine Vorliebe für vielfältige orchestrale Pedaleffekte und sein gestalterisches Temperament zielten auf furiose Klanggebilde. Seine phänomenale Technik gewährleistete dabei letztlich eine überzeugend musizierte Balance zwischen kompakter thematischer Substanz und ihren pathetisch aufgeblähten Erscheinungsformen. Genussvoll und gleichwohl mit eminentem Gespür für weiträumige Abstufungen zauberte Trifonov elegant verträumte Klanglandschaften in „Ricordanca“ oder brillant stürmende Tastenritte alla „Mazeppa“. Die Liszt’sche Konzentration auf einzelne Klangmomente fand in Trifonov den idealen Interpreten. Er machte den Klang zum eigentlichen Thema der Musik. Enthusiastischer Beifall. Konsequent, ganz im Sinne vertrauter Salontraditionen des 19. Jahrhunderts, beschloss Trifonov das bemerkenswerte Konzert mit einem duftigen Klanggebilde aus eigener Feder.