Lörrach (bn). Es ist schon eigenartig, dass 213 Jahre vergehen mussten, bevor Ludwig van Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ seine Lörracher Erstaufführung erfuhr. In der vollbesetzten Stadtkirche erklang das außergewöhnliche Sakralwerk am Karfreitag unter Leitung des ambitionierten jungen Kantors Johannes Lang. Und er dirigierte eine „Welturaufführung“, denn das Beethoven-Werk erklang erstmals in einer jüngst von Konrad Lang aufbereiteten Kammerfassung. Ausführende waren die Kantorei Lörrach, die vorwiegend mit Studenten der Freiburger Musikhochschule besetzte Philharmonie Breisgau sowie das Solisten-Trio Marlene Esser (Sopran), Karl-Heinz Brandt (Tenor) und Mateo Peñaloza Cecconi (Bass). Sie alle erwiesen sich als eine einvernehmliche Musiziergemeinschaft, die ihrem Auditorium ein Hörerlebnis von erregender Dramatik und Klangsinnlichkeit bescherte. Obsolet deshalb, was die Musikfachwelt dieser Tonschöpfung zu Last legt. Etwa ihre allzu opernhafte Konzeption mit einem Tenor (anstatt Bariton) als Jesus und einem Libretto von Franz-Xaver Huber, das – statt der biblischen Erzählung von Christi Gebet im Garten Gethsemane und seiner Gefangennahme – einen grenzwertigen Sturm- und Drang-Text verwendete. Solche Experten-Vorbehalte tangieren die „Normalhörer“ freilich wenig. Sie durften an diesem Abend in ergreifenden Melodien und berückenden Harmonien auf hohem Interpretationsniveau schwelgen. Karl-Heinz Brandt absolvierte die große, hoch anspruchsvolle Christus-Rolle mit stimmlicher Strahlkraft, dramatischem Ausdruck und vorbildlicher Textverständlichkeit. Marlene Esser bewältigte ihre Seraph-Partie ebenfalls überzeugend und mit vibratoreichem Timbre. Grundsolide auch Mateo Peñaloza Cecconi in der kleinen Rolle des von Rachegefühlen getriebenen Petrus, ebenso das Vokaltrio der Jünger, Korbinian Krol, Christian Groß und Sebastian Lau. Ausgezeichnete Eindrücke hinterließen die Sängerinnen und Sänger der Kantorei und das impulsiv musizierende Instrumentalensemble, die mit Frische und Präzision das an dynamischen Höhepunkten reiche musikalische Geschehen geradezu plastisch erlebbar machten. An der Orgel waltete Marius Mack, der eingangs auch in der effektbetonten Solopartie des stark perkussiv flankierten Concertos g-Moll von Francis Poulenc von 1938 brillierte. Dieses Virtuosenstück der klassischen Moderne war ebenfalls in der Lörracher Erstaufführung zu hören.