Lörrach Ein schauerlicher Wettbewerb

Die Oberbadische
Szene aus „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Junges Theater zeigt Janne Tellers „Nichts. Was im Leben wichtig ist“

Von Beatrice Ehrlich

Lörrach. Janne Tellers Texte sind radikal. Sie wühlen auf. Keiner kann sich ihrem unerbittlichen Sog in die Tiefe existenzieller Fragen entziehen. Das Junge Theater Lörrach unter der Regie von Birgit Vaith hat jetzt den Roman „Nichts. Was im Leben wichtig ist” der dänischen Autorin auf die Bühne gebracht.

Die Leichtigkeit mit der die jungen Schauspieler die fatale Entwicklung, die sich innerhalb einer Gruppe Jugendlicher anbahnt, nachstellen, verstört auch im Theater. Ganz ernsthaft schlüpfen die Jugendlichen in die Rollen einer Gruppe Siebtklässler, die sich vorgenommen hat, ihrem Mitschüler Pierre Anton zu zeigen, dass es Dinge gibt, die wichtig und bedeutungsvoll sind. Pierre Anton sitzt nämlich Tag und Nacht auf einem Baum, bewirft die anderen mit Äpfeln und provoziert sie mit Sätzen über die Bedeutungslosigkeit. Er sieht keinen Sinn im Leben: „Nichts bedeutet etwas, deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun.“ Die anderen fühlen sich dadurch herausgefordert.

Als Gegenbeweis wollen sie an ihrem Treffpunkt in einem alten Steinbruch einen „Berg der Bedeutung“ errichten. Was als gemeinsame Aktion startete – „wir zeigen es Pierre Anton“ –, wird nach und nach zum Albtraum: Müssen die ersten noch ein paar heiß geliebte Schuhe, ihr Tagebuch oder abgeschnittene Haare auf diesem Altar ablegen, fordern sie von den anderen ohne jede Skrupel immer größere Opfer: den Sarg des Bruders, ein Kruzifix, ein Hundekopf, zu guter Letzt der eigene Finger. Keiner widersetzt sich, keinen Moment lang stellt sich den Jugendlichen die Frage, diesen schauerlichen Wettbewerb einzustellen. Aus scheinbar harmlosen Mutproben ist Ernst geworden, und – ähnlich wie im bekannten Jugendbuch „Herr der Fliegen“ – nimmt die Gruppendynamik ihren Lauf.

Zwei Rollen stechen heraus: Pierre Anton, der mit seinem penetrant stichelnden Nihilismus die anderen zu immer krasserem Tun herausfordert und die Ich-Erzählerin Agnes, die alles andere ist als ein sanftes Lamm. Immer wieder macht sie Druck, dass die geforderten Taten auch durchgeführt werden, kein Zweifel, sie ist der „heimliche Leader“. Diese Figuren bilden die beiden Pole des Stücks, zwei Seiten einer Medaille.

Die Schauspielerinnen, die diese beiden Rollen übernommen haben, agieren perfekt: Mit einem spöttischen Lächeln und scheinbar unberührt die Eine; überreizt und aufgedreht, aber gleichzeitig eiskalt die Andere. Eine tolle Leistung, hinter der die anderen Mitglieder der Gruppe, deren Rollen weniger ausgeprägt sind, ein wenig an Kontur verlieren. Der Gesamtleistung des Jungen Theaters nimmt das aber nichts.

Im Anschluss an die Premiere hätte man sich ein Publikumsgespräch gut vorstellen können. Was denken die Jugendlichen darüber, was sie da spielen? Schließlich handelt es sich um eine Versuchungsanordnung ganz realer gesellschaftlicher Mechanismen: Wie entsteht Gewalt? Wann gibt das Individuum dem Gruppendruck nach? Janne Teller bringt uns mit ihrem Roman zum Nachdenken.

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