Aus dieser Episode entwickelt Ott ein facettenreiches und von unbändiger Fabulierlust strotzendes Lebensbild des privaten Jean Jacques, den die Geliebte zwar betrügt, aber immer wieder Geld zuwendet, eine Kur in Montpellier finanziert und ihm auch stets Unterschlupf gewährt, wenn ihm anderswo der Boden unter den Füßen zu heiß wird. Karl-Heinz Ott versteht es, abstruse Situationen so plastisch zu schildern, dass sich die Leser (oder in diesem Fall die Zuhörer) mitten ins Geschehen hineingezogen fühlen. Etwa in Rousseaus Lausanner Debakel, wo der von Selbstzweifeln geplagte Philosoph, „der auch Noten lesen konnte, wenn’s nicht zu viele auf einmal waren“, ein Menuett zu komponieren und aufzuführen hatte, was grandios daneben ging. Oder die anekdoten-gespickte Episode vom Sommerfrische-Aufenthalt in den in den Schweizer Bergen, wo dem von Brustenge, Ohrensausen, Schwindelgefühlen, Verstopfung, Herzrasen und Atemnot geplagten Nervenbündel die fette Kuhmilch und das frische aber harte Bergquell-Wasser noch mehr zusetzten. Und schließlich auch jene vom Zwist mit den mit Pariser Gelehrten und dem damals „weltbekannten“ Komponisten Jean Philippe Rameau, die sein auf mathematischen Grundlagen basierendes neues Notensystem verwerfen, und die der „größenwahnsinnige, heulselige und jähzornige“ Philosoph deshalb als „Vollidioten“ beschimpfte.