Von Ursula König Lörrach. Die Autorin Barbara Honigmann war am Sonntag Gast des Hebelbundes im Dreiländermuseum. Sie las im Rahmen der literarischen Begegnungen am Internationalen Museumstag (wir berichteten) aus ihrem neuen Werk „Chronik meiner Straße“. Präsident Volker Habermaier, kündigte die 1949 in Berlin geborene Autorin als humorvolle und vielseitige Künstlerin an, die nach einem Studium der Theaterwissenschaft auch als Malerin aktiv wurde. So gestaltet die Tochter deutsch-jüdischer Emigranten die Schutzumschläge ihrer Bücher selbst. Für die Ausstellung „Dichter malen“ war sie bereits in Lörrach zu Gast. Als „dreifachen Todessprung ohne Netz: Vom Osten in den Westen, von Deutschland nach Frankreich und aus der Assimilation mitten in das Thora-Judentum hinein“ beschrieb sie einst ihren Umzug von Berlin nach Straßburg. Zuvor hatte sie sich intensiv mit ihrer jüdischen Identität beschäftigt. Mit diesem Hintergrundwissen, das Habermaier einführend zusammenfasste, gelingt den Zuhörern der unvermittelte Einstieg in eine faszinierende Welt, die sich aufgrund der wachen Beobachtungsgabe Honigmanns ungemein lebendig entfaltet. Eintauchen in den Mikrokosmos der Straße, in der man eigentlich nur am Anfang wohnt So lässt es sich eintauchen in den Mikrokosmos der Straße, „in der man eigentlich nur am Anfang wohnt“. Honigmann beobachtet das Leben in seiner Vielfalt und beschreibt die unterschiedlichen Charaktere, die sich in diesem Schmelztiegel begegnen und friedlich miteinander auskommen. Sachlich trocken, humorvoll und lebendig vermitteln diese Beobachtungen ein Bild der Fülle menschlichen Zusammenseins, ohne sich in Analysen oder Interpretationen zu verlieren. Nicht ein einzelner grüner Baum oder Strauch ist in der Straße zu finden. Auf diesem Hintergrund wirkt die Geschichte des kleinen Baums, der auf den Balkon geflogen kam, umso skurriler. Die Wohnung wird mit dem Flair des Übergangs beschrieben. Allerdings ist auch nach Jahren nur das Nötigste ausgepackt, denn wie alle Neuankömmlinge wollte auch diese Familie „in Ruhe eine schöne Wohnung in einem besseren Viertel suchen“. Dass daraus nichts wurde, entwickelt sich zum Glücksfall für die Leser des Buches. Denn so schöpft die Autorin aus einem reichen Fundus von Begegnungen an einem Ort, an dem neben Juden auch viele Osteuropäer, Asiaten und Araber beheimatet sind. Und das „andere Frankreich“, das irgendwo zwischen Nachlässigkeit und Nonchalance angesiedelt scheint. Es gibt wenig „Vermischung“ der Völker, die sich meist aus dem Weg gehen. Doch es gibt einen Treffpunkt; das kurdische Café, das auch für die Autorin zur immer sprudelnden Inspirationsquelle wird. Jüdische Bräuche, Fragen der Toleranz sowie der rhythmische „Aufschwung und Niedergang“ der Straße entwerfen das Bild einer kleinen Welt, die durchaus einige anarchistische Züge zeigt und trotzdem hervorragend zu funktionieren scheint.