Lörrach Frecher, lauter und einfallsreicher

Die Oberbadische

Stimmen-Festival: The Hives und Triggerfinger rocken das Publikum auf dem Alten Markt in Lörrach

Von Dorothee Philipp

Lörrach. „Never let the Hives support your band“, war die Erfahrung etlicher Rockbands, als die schwedischen Garagen-Rocker im internationalen Tourbusiness ein Bein auf den Boden bekamen. Alle sahen hinterher alt aus, die Schweden waren einfach frecher, lauter, einfallsreicher und komischer. Das hielt die drei Belgier von „Triggerfingers“ nicht davon ab, in Lörrach vor einer der angesagtesten Festivalbands auf die Bühne zu steigen. Und sie sahen hinterher nicht alt aus.

Dass im hellen Sommerabendlicht die Lightshow erst später richtig reinhaut, kann ihnen egal sein, sie brauchen sowas nicht. Drummer Mario Goossens hockt im himbeerfarbenen Anzug vorne in der Mitte der Bühne, die Knie fast bis zum Kinn hochgezogen und drescht auf das Schlagzeug ein wie ein wildgewordener Kutscher auf die Pferde. Das Wasser läuft ihm aus den Haaren, später ist auch der ganze himbeerfarbene Anzug durchgeweicht, seine Augen glühen vor Freude, im Gesicht flackert ein diabolisches Grinsen. Immer wieder muss der Bühnentechniker die Schrauben am Schlagzeug festziehen.

Frontmann Ruben Block rast auf der Bühne hin und her im engen schwarzen Habit mit eleganter Beinarbeit (tolle Schuhe!) und viel Show, in der die lange Silberlocke eine wichtige Rolle spielt.

Bassist Paul van Bruystegen gibt optisch den Mafia-Boss im Blockstreifenanzug mit Glatze und Sonnenbrille, sprüht aber ebenso vor Energie und greift sich auch mal den Ventilator, um ihn über dem Kopf zu schwingen. Satt und saftig der Sound, in dem sich Blocks Stimme immer wieder zu einem infernalischen Kreischen hochschraubt, herrlicher fetziger, kompromissloser Rock, bei dem an diesem Abend, wohl auch wegen der Kürze des Auftritts, die besinnlicheren Töne à la „I follow Rivers“ in der Schublade bleiben. Die innigen Zugabe-Rufe des Publikums werden nicht erhört.

Auch The Hives bringen die Bühnentechniker ins Schwitzen, die beiden bis auf kleine Augenschlitze schwarz vermummten Figuren haben einiges zu rennen, Kabel zu entwirren, fortgeschmissene Trommelstöcke einzusammeln. Die fünf Schweden machen aus der Bühne nicht nur akustisch ein Tollhaus. Ein Puppenspieler mit irrem Blick aus rot glühenden Augen und Fäden, die von seinen Fingern in die Bühne hineinreichen, gibt die ganze Show über die passende Kulisse, die ganze Bühne ist als schwarzer Guckkasten wie ein Marionettentheater aufgemacht.

Auch The Hives punkten mit knackigem, stromlinienförmigem Rock. Das Publikum kennt viele der Songs und macht aus voller Kehle mit. Frontmann Pelle Almqvist fuhrwerkt auf der Bühne herum, spielt mit dem Mikro Lassowerfen, springt auf das Schlagzeug, auch der Rückriem-Würfel wird als Bühnenerweiterung einbezogen, der Kerl ist wendig wie ein Eichhörnchen.

Die Massen werden animiert zu „clap an scream“. Lörrach ist laut an diesem Abend. Nicht lange und der erste Kopfsprung ins Publikum ist angesagt, Pelle Almqvist schwebt über der Menge, Hände grapschen nach seinen Haaren. Die maßgeschneiderten weißen Anzugjacken fliegen bald weg, nicht dagegen die schwarzen Servietten-Krawatten, eine skurrile Zutat im optischen Design.

Innig ist der Kontakt zum Publikum, einmal darf sogar jemand seinen Bierbecher hochreichen, den Sänger Almqvist mit langen Zügen leert. Immer wieder rennt er im Graben zwischen Bühne und Publikum auf und ab, steigt auf die Absperrung, lässt die Menge tanzen, hopsen und grölen.

Auch Gitarrist Nicholaus Arson hat Unterhaltungswert, wie irr lässt er seinen Wischmob von Frisur auf dem Kopf tanzen, rollt die Augen wie der irre Puppenspieler der Kulisse und betreibt pantomimische Kommunikation mit den Leuten in den ersten Reihen. Schlagzeuger Chris Dangerous hält mit harten gnadenlosen Beats zuverlässig den Drive in Gang, „can you feel the drums in your entire system"“ - Oh yesss! Ein Heidenspaß, die ganze Show, Kindergeburtstag für Erwachsene.

Einige hatten das Glück, ein ganz persönliches Souvenir zu ergattern, etwa das blaue Frotteehandtuch, das auf einmal in die Menge fliegt, einen Trommelstock oder ein Plektrum. Harter, lauter, ehrlicher Rock mit witzigen Komponenten – schön, dass es das nach wie vor gibt im Ozean des weichgespülten humorfreien Gesülzes.

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