Von Beatrice Ehrlich Lörrach. Im gut besuchten Burghof bot der Freiburger Kabarettist Matthias Deutschmann am Freitagabend mit „Wie sagen wir’s dem Volk"“ ein Programm, das neben einigen scharfen gesellschaftskritischen Beobachtungen vor allem von Nostalgie geprägt war. Nostalgie im Hinblick auf eine Zeit, als der Feind noch klar war und die politische Marschrichtung eindeutig: „Wir Linken waren Etikettentrinker: Hammer und Sichel, pichel, pichel“, reimt er launig, aber denn auch etwas wehmütig. Genderpolitik sorgt mit Identitätsangeboten für Verwirrung Heute sind die Vorzeichen weniger klar: Angefangen bei der Genderpolitik, die mit ihren zahlreichen „Identitätsangeboten“ auch bei ihm für einige Verwirrung sorgt – „Bleiben Sie morgens im Bett, bis Sie wissen, als was Sie heute gehen“ – bis hin zu neuen Feindbildern und zur Gabriel-Schelte. Muss es doch der SPD-Vorsitzende ertragen, nach dem Abgang von Guido Westerwelle der neue Buhmann im deutschen Kabarett zu sein. „Ich kann mich nicht Werturteilen hingeben”, ermahnt sich Deutschmann ein ums andere Mal selbst und unterstreicht damit das Hadern mit seinem Beruf als heimliches Leitmotiv des Abends. Denn natürlich ist Urteilslust und -kraft die wichtigste Quelle aus der ein politischer Kabarettist ein Leben lang schöpft, gilt es doch, gesellschaftliche Missstände aufzuspüren und die Mächtigen in ihrem Handeln und Sprechen zu entlarven. „Wir Kabarettisten sind geil darauf, bestraft zu werden“ Ein weiterer Versuch: Mit islamkritischen Einlassungen und Burka-Spott wagt er sich in provokantem Ton an eine aktuelle Debatte, untermalt von einer brillant improvisierten abgründigen „Dschihad-Etüde“ am Cello. „Wir Kabarettisten sind geil darauf, bestraft zu werden“, ruft er als freimütiges Bekenntnis in die Runde. Er habe viele beleidigt: doch nie sei etwas passiert, fast schon seinerseits beleidigt. Auch die allfällige Medienkritik bleibt nicht aus: Der Spiegel hat als Leitmedium progressiv eingestellter Kabarettisten offenbar ausgedient. Stattdessen greift der gewesene Katholik – wie Deutschmann nicht müde wird, in jedem Programm aufs Neue zu betonen – neuerdings sogar auf die Bibel als Inspirationsquelle zurück. Vielleicht muss man so weit gehen, um Angela Merkel auf Augenhöhe zu begegnen. Doch ein bisschen Erstaunen bleibt dann doch: Sollte man den Vergleich der Kanzlerin mit der alttestamentarischen Figur Moses womöglich als Beweis hemmungsloser Bewunderung verstehen" In doppelbödigen Ansprachen an die „anonymen Sozialdemokraten“ und die vermuteten AfD-Anhänger im Raum – „Sie sind unter uns“, ist er sich sicher – blitzt noch manchmal der alte, verbale Kampfgeist auf. Dennoch es bleibt der Eindruck: Die Rückkehr des Politischen nach jahrelanger Entsagung und dem die Öffentlichkeit dominierenden „Feintuning der Freizeitgesellschaft“ hat den Altmeister des politischen Kabaretts kalt erwischt.