42 Gruppen, weit über 1000 Aktive und Zehntausende Besucher – die Lasser Gugge-Explosion macht Lörrach heute einmal mehr zum Mekka der Guggemusik. Kristoff Meller hat sich im Vorfeld mit Organisator Claudio Burger und dem Szenekenner Stefan Link (siehe Kurzinfo am Ende) unterhalten.

Herr Burger, stimmt es, dass wir es einer Brombacher Guggemusik zu verdanken haben, dass es heute dieses Festival gibt?
Burger: Ja, ich war damals Programmchef bei den Oktave-Chratzer Brombach, und im Jahr 2000 wollten wir am Fasnachtssamstag musikalisch durch Lörrachs Kneipen ziehen, aber da war weniger los als auf dem Friedhof. Es gab keine Deko, keine Menschen, nur eine holländische Familie hatte viel Spaß mit uns. Für unser 20-jähriges Bestehen ein Jahr später konnten wir dann Jörg Roßkopf, der relativ frisch Obergildenmeister war, dafür begeistern, uns als Brombachern ein Forum samt Bühne in der Stadt zu bieten, obwohl wir nicht einmal Mitglied der Narrengilde waren.
 
Die erste Auflage der Gugge-Explosion war die Feier zum 20. Geburtstag der Oktave-Chratzer?
Burger: Nein. Das Jubiläum der Oktave-Chratzer nannte sich „Guggenspektakel“. Der Larvenkünstler „Horrorwäber“ aus Brombach hat den Namen Gugge-Explosion erfunden, nachdem klar war, dass die Narrengilde diese Veranstaltung etablieren will und einen eigenen Namen benötigt.

Aber schon beim  Geburtstag gab es eine Bühne, 20 Guggemusiken und Erich Fischer, damals Leiter der Migros in Lörrach und selbst aktiver Guggemusiker aus Luzern, hat für das leibliche Wohl gesorgt. Das Fest war so ein Erfolg, das es beibehalten wurde. Zumal wir drei – Jörg, Erich und ich – uns auch privat gut verstanden haben. Jeder hat sein Ding gemacht: Von Migros kam das Geld und Essen, die Narrengilde war für Organisation und Infrastruktur verantwortlich, ich habe mich um die Musik gekümmert.  

Herr Link, den Ursprung der Gugge-Explosion haben wir geklärt, aber wo liegt der Ursprung der Guggemusik?
Link: Oh, das Streitthema schlechthin. Mittlerweile ist aber bewiesen, dass wir die Guggemusik den Baslern verdanken und ein Basler die Guggemusik auch nach Luzern brachte.   

Gibt es eigentlich „die“ Guggemusik, oder unterscheiden sich die Klänge je nach Herkunftsregion?
Link: Jede Gugge hat ihren eigenen Stil, aber auch das ist etwas Besonderes an Lörrach. Es wird darauf Wert gelegt, dass nicht alle Schweizer Gäste zum Beispiel aus Basel kommen, sondern aus den verschiedenen Kantonen der Schweiz und Regionen Deutschlands, da es hier schon Unterschiede gibt.

Burger: Die Luzerner und Innerschweizer haben die Musik der Basler weiterentwickelt, während diese lange Zeit stehen geblieben sind und weiter nur schräge Töne gespielt haben. Wer heute junge Menschen für die Musik begeistern will, muss sich jedoch für neue Klänge und Arrangements  öffnen. Die wollen aktuelle Hits – das haben inzwischen auch viele Basler Guggemusiken gemerkt.  

Helene Fischer, Michael Jackson oder die Toten Hosen, ja selbst Heavy Metal war schon auf dem Marktplatz zu hören. Gibt es auch Grenzen für die Gugge-Hitparade?
Link: Nein, gespielt wird was gefällt. Das muss aber jede Gugge für sich entscheiden und sollte zu jeder Gugge passen. Die angesprochenen „Quä Quäger“ zum Beispiel haben sich entschieden, Metal zu spielen, wenn die auf einmal „Atemlos“ spielen würden, nur weil es andere spielen und gerade „in“ ist, wäre das doch Stilbruch.  

Sie waren schon mehrfach bei der Gugge-Explosion – was war für Sie der schönste Moment oder Auftritt?
Link: Jede Sekunde in Lörrach habe ich genossen und als Höhepunkt empfunden. Wenn man in der Innenstadt ankommt, dir bereits in der ersten Gasse eine Gugge spielend entgegen kommt und dann an jeder Ecke, in der Stadt, Guggen spielen, ist dieses besondere Lebensgefühl der Fasnacht zu spüren.

Sie kennen auch viele andere Festivals gut, was ist so besonders an der Gugge-Explosion?
Link: An der Gugge-Explosion trifft sich die Crème de la Crème der Szene. Herausragend ist die besonders familiäre Atmosphäre und natürlich die perfekte Organisation. Von der Logistik, den Betreuern bis hin zu den professionellen Bühnen. Lörrach ist eine Marke, und jeder Musiker ist stolz, hier einmal auftreten zu dürfen.

Gibt es eigentlich auch Neid unter den Veranstaltern, oder existieren anders als bei normalen Musikfestivals eher Kooperationen statt Konkurrenz?
Burger: Wir haben viele freundschaftliche Verbindungen geknüpft. Ohne gute Kontakte wäre es auch kaum möglich, dass heute die legendären Schlossbärghüüler bei uns zu Gast sind, die sich auf Abschiedstournee mit 80 Aktiven befinden und nach dieser Saison aufhören. Die sollte man heute auf keinen Fall verpassen. Generell stehen wir in Kontakt mit vielen Festivals und besuchen sie auch. Man holt sich Tipps, gibt Erfahrungen weiter, aber da ist überhaupt kein Konkurrenzdenken zu spüren.  

Gibt es denn  überhaupt noch etwas zu verbessern? Schließlich existiert bereits eine Warteliste für Teilnehmer auf mehrere Jahre im Voraus, und die Innenstadt ist bei jedem Wetter gut gefüllt.
Burger: Natürlich ist die Gugge-Explosion inzwischen ein Selbstläufer. Daran haben vor allem die vielen Ehrenamtlichen und die Zunftmeister Anteil. Da, wo wir jetzt sind, geht es nicht mehr einfach weiter nach oben.

Qualität ist aber das Allerwichtigste für uns. Wir hinterfragen unsere Veranstaltung darum jedes Jahr. Ich schicke immer einen Feedback-Bogen an die Betreuer und Teilnehmer, meistens kommt aber tatsächlich nur Positives zurück. Trotzdem sind wir im Detail ständig am Optimieren. Es gibt kein begeisterungsfähigeres Publikum als das in Lörrach. Es geht aber nicht nur richtig mit, sondern hat auch sehr viel Sachverstand und ist durchaus kritisch: Wenn ihm etwas nicht gefällt, lässt es das die Musiker auch spüren.   

Wie setzt sich dieses Publikum denn zusammen – sind das alles eingefleischte Fasnächtler aus der Region, oder gibt es auch so etwas wie Fasnachtstourismus?
Ich glaube vielen Lörrachern ist überhaupt nicht bewusst, welche Reichweite das Festival inzwischen hat. Das ist ein richtiges Marketinginstrument für die Stadt. Natürlich braucht es den Bezug zur Fasnacht und zur Musik, aber die Gugge-Explosion ist überregional mit Sicherheit bekannter als das Stimmen-Festival. Die Qualität, welche die Gugge-Explosion bietet, ist in Deutschland auf jeden Fall einmalig – an einem Tag, so geballt, das findet man sonst höchstens vielleicht noch in Luzern.

Unser Publikum kommt wie unsere Musiker nicht nur aus der Region, sondern reist extra aus der Innerschweiz, dem Schwäbischen und anderen Regionen an. Im vergangenen Jahr habe ich beispielsweise ein Pärchen aus Augsburg kennengelernt, das extra für das Festival nach Lörrach gekommen ist, nachdem es bei Youtube ein Video der Veranstaltung gesehen hatte. Guggemusik ist eben Kultur für’s Volk – für alle!

Zur Person:
Claudio Burger hat die Gugge-Explosion zusammen mit Erich Fischer (Migros) und Obergildenmeister Jörg Rosskopf 2001 gegründet und ist seither für die künstlerische Leitung verantwortlich.
Stefan Link ist  Organisator des großen Guggenwochenendes der Gundelfinger Dorfhexen in Gundelfingen, kennt die Szene gut und war mit seiner Kleinformation ebenfalls schon in Lörrach zu Gast.