Lörrach „Ich bin gerne Teil dieser Fasnacht“

mek
Thorsten Becker: „Ich werde die Kirche in meiner Betrachtung nicht außen vor lassen. Es gibt sicher auch mit Blick auf die Kirche Dinge, die man hinterfragen und kritisch sehen darf. Sich selbst den Spiegel vorzuhalten tut ganz gut.“ Foto: Bernhard Konrad Foto: mek

Narrenmesse: Besonderer Gottesdienst in St. Bonifatius / Pfarrer Thorsten Becker spricht im Interview über Fasnacht und Kirche.

Lörrach. Die Narrengilde lädt am morgigen Sonntag, 7. Februar, um 10 Uhr  alle Fasnächtler und Christen  zur Narrenmesse in die St. Bonifatiuskirche ein. Über den außergewöhnlichen Gottesdienst und das Verhältnis von Kirche und Fasnacht sprach Bernhard Konrad mit Pfarrer Thorsten Becker.

Herr Becker, was verbindet die Kirche und die Narren?
Es gibt den Spruch: „Kinder und Narren sagen die Wahrheit.“ Wenn Narren die Wahrheit sagen, dann verbindet uns schon mal dieses: Kirche und Narren suchen die Wahrheit – beide tun dies gerne klar und pointiert, in deutlichen Worten und auch, indem sie den Finger in Wunden legen. Zudem liegt der Ursprung der Fasnacht in der Kirche, im Feiern vor der Fastenzeit, vor dem Beginn der kargeren Wochen. Es steht der Kirche gut an, was sie inspiriert hat, auch mit zu feiern.

Diese Verbundenheit ist die Grundlage des Narrengottesdienstes?
Wir nehmen den Fasnachtssonntag gerne zum Anlass, den Gottesdienst gemeinsam zu feiern. Ich werde bei dieser Gelegenheit eine Predigt in Reimform halten und das ein oder andere etwas pointierter sagen, als ich dies in einer normalen Predigt tun würde.

Was zeichnet die Predigt thematisch aus?
Die Themen sind in diesem Jahr sehr vielfältig. Es gibt eine Menge Fragen, zu denen klar Stellung bezogen werden sollte: etwas zum Flüchtlingsthema, zu Äußerungen von Frauke Petry. Aber auch Blatter und die Korruption im Fußall werden eine Rolle spielen – um einige Aspekte zu nennen. Dabei muss die Predigt eine Balance zwischen lustigen Elementen und Ernsthaftigkeit wahren.

Was wird in diesem Gottesdienst eigentlich gefeiert? Der Glaube? Das Leben? Die Narretei?
Die Narretei sicherlich nicht. Es wird gefeiert, dass wir als Christen – und das benenne ich in Gottesdiensten immer sehr deutlich – unseren Ursprung aller Freude und auch des „Ausgelassen-sein-Könnens“ in Gott sehen. Das wird in der Predigt und in den Lesungstexten zum Ausdruck kommen. Wir sollten als Menschen wissen, dass es einen Ursprung gibt, von dem dies alles kommt und einen Punkt, auf den dies alles zuläuft. Der Narrengottesdienst bleibt eine Eucharistiefeier, auch wenn sie ausgelassener gestaltet wird.

Welche Musik wird gespielt?
Wir haben mit Andreas Mölder einen Organisten, der sich in einem ganz guten Sinne musikalisch jeder Facette des Lebens anpassen kann. Er wird die Orgel spielen, aber auch die Guggemusik’53 wird den Gottesdienst wieder mitgestalten.

Man darf verkleidet kommen?
Wer möchte: gerne! Und wer nicht möchte, der kommt eben unverkleidet.

Darf man sich als Narr über die Kirche lustig machen?
Ich werde die Kirche in meiner Betrachtung nicht außen vor lassen. Es gibt sicher auch mit Blick auf die Kirche Dinge, die man hinterfragen und kritisch sehen darf. Wer anderes zum Thema macht, der sollte auch vor der eigenen Türe kehren. Sich selbst den Spiegel vorzuhalten tut ganz gut.

Die katholische Kirche gibt in vielerlei Hinsicht klare Regeln vor. An Fasnacht fallen die Menschen aus der Rolle. Weshalb zeigt sich die Kirche hier so tolerant?
Weil sie selbst nicht aus der Rolle fallen muss, um sich in die Fasnacht hinein zu begeben. Der Gottesdienst wird auch an Fasnacht seine Gebets-Atmosphäre, seine Würde behalten und in dieser Hinsicht nicht aus der Rolle fallen. Und: Viele Gottesdienstbesucher haben ja auch sonst einen Platz in der Kirche. Sie sind eben nur in diesen Tagen verkleidet, in einer anderen Rolle.

Diese Enthemmung, als Teufel und Dämon erscheinen zu dürfen, ist aus Sicht der katholischen Kirche gottgefällig?
Maskerade kennen wir ja in vielfältigen Zusammenhängen. Das Gute an der Fasnacht ist, dass jeder um die Verkleidung weiß. Die Menschen tun ja nicht so, als ob... sie verstellen sich nicht in ihrem Leben, sondern sie schlüpfen für eine kurze Zeit für jedermann erkennbar in ein Häs. Im Übrigen ist Fasnacht ja nicht ausschließlich Enthemmung – schauen Sie sich die Schnitzelbängg und den Zunftabend an: Hinter vielen Pointen stecken Botschaften.

Hat Jesus gern gelacht? War er ein fröhlicher Mensch? Was sagt die Bibel dazu?
Der erste öffentliche Auftritt von Jesus als Erwachsener ist die Hochzeit zu Kana – das wird in der Bibel gesagt. Er hat dort zum Fest beigetragen, indem er immerhin 600 Liter Wasser in Wein verwandelte. Ich gehe nicht davon aus, dass er als Trauerkloß teilgenommen hat. So wie das Evangelium   erzählt wird, bin ich sicher, dass Jesus ein zutiefst fröhlicher Mensch war. Ein Mensch, der sich am Leben gefreut hat. Denn das, was er getan hat,  kann man nur tun, wenn man mit sich selbst im Reinen ist, wenn man dem Leben zugewandt ist.
Paulus sagt an einer Stelle: „Freut Euch im Herrn zu jeder Zeit!“

Welchen persönlichen Bezug haben Sie zur Fasnacht?
Ich bin in einem Ort groß geworden, in dem Fasnacht zum Leben gehört: in Waldbronn bei Ettlingen. Und ich glaube noch heute, dass es für die Kirche wichtig ist, an dieser Facette des Lebens teilzuhaben. Ich bin gern ein Teil dieser Fasnacht.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading