Lörrach „Ich spüre Unterstützung von vielen Seiten“

Die Oberbadische

Interview mit Tim Krause, der seit vier Monaten Geschäftsführer des soziokulturellen Zentrums Nellie Nashorn ist

Lörrach. Tim Krause hat Mitte August die Geschäftsführung des zuletzt in die Krise geratenen soziokulturellen Zentrums Nellie Nashorn übernommen. In Lörrach ist Krause bereits bekannt aus seiner Zeit am Freien Theater Tempus fugit, wo er von Ende 2010 bis Sommer 2012 zum festen Team gehörte und als Regisseur und Pädagoge in zahlreichen Theaterproduktionen und Schulprojekten wirkte. Der gebürtige Oberfranke arbeitete zuletzt als Theaterpädagoge, Projektleiter und Sprachassistent in mehreren Regionen Frankreichs, bevor er nach Lörrach zurückkehrte. Unser Redakteur Kristoff Meller hat sich mit Tim Krause über die Entwicklung des Nellie Nashorns unterhalten.

Herr Krause, Sie sind seit vier Monaten als Geschäftsführer im zuletzt krisengeschüttelten Nellie Nashorn. Wie ist die Lage?

Gut, aber ich muss Geduld haben. Jeden Tag stoße ich darauf, dass noch ganz viel zu machen ist, damit das Nellie wieder in ruhigen, sicheren Bahnen bestehen kann. Ich habe schon ein paar Dinge angepackt und auch Neues ausprobiert. Die Resonanz ist super, die Zahlen sehen gut aus und selbst die Kneipe erholt sich ganz langsam. Das war ja der große Kritikpunkt.

Das Nellie Nashorn stand in den vergangenen beiden Jahren mehrfach vor dem Aus, da erwartet nach so kurzer Zeit sicher niemand große Wunder, oder?

Naja, manche schon. Aber ich bin ja kein Messias, sondern arbeite Stück für Stück die Sachen auf. Dabei müssen wir Transparenz schaffen für Stadtverwaltung und Sponsoren und gleichzeitig das Programm – das sehr ausgedünnt war – wieder bunter und vielfältiger gestalten.

Wie viele Personen arbeiten denn im Nellie-Team mit?

Der Trägerverein hat derzeit 48 Mitglieder, von denen rund ein Viertel sehr aktiv ist. Diese Gruppe von zehn bis 15 ehrenamtlichen Mitarbeitern ist sowohl inhaltlich als auch bei Hilfstätigkeiten sehr engagiert. Dazu gehören natürlich auch die Vereinsvorstände, die hier zwei Jahre lang das Krisenmanagement geleitet haben. Und dann gibt es natürlich unser hauptamtliches Team: Yvonne Schneider im Service, Andrea Kleine als Küchenchefin, Annette Gorgs als zweite Köchin und mehrere Aushilfen im Service und in der Küche - und dann noch ich in der Geschäftsführung und künstlerischen Leitung. Außerdem habe ich derzeit zwei Praktikanten, die in ganz vielen Bereichen mithelfen. Die zweite Kulturstelle ist immer noch vakant. Das Ziel war aber von Anfang an, sobald sicher ist, dass das nächste Jahr finanziell abgesichert ist, die Stelle wieder zu besetzen.

Das ist nun der Fall, nachdem die Stadtverwaltung und die Sparkasse als Sponsor ihre finanzielle Unterstützung für 2014 zugesagt haben.

Richtig. Wir haben auch schon jemanden gefunden. Der neue Kollege heißt Philipp Einhäuser und zieht extra fürs Nellie von Kiel nach Lörrach. Er wird schon Mitte Januar anfangen. Das wird auf jeden Fall eine Entlastung. Zu zweit machen wir dann die gesamte Kultur- und Programmarbeit und auch die Festivals. Die Zukunft ist zumindest für das kommende Jahr gesichert. Die volle Fördersumme wurde im Haushalt für 2014 genehmigt. Das war für uns ein großer Erfolg und hat uns gezeigt: Die Arbeit der vergangenen Monate hat sich gelohnt. Im September war die große Frage für mich, ob wir weitermachen dürfen oder ob wir ab 2014 mit der Hälfte des Etats wirtschaften und das Programm reduzieren müssen? Dieser Einstieg war für mich sehr verunsichernd. Inzwischen ist der Kontakt zur Verwaltung aber sehr gut. Wir tauschen uns sehr viel aus, sind mit dem Rechnungsprüfungsamt und Herrn Frick in regelmäßigem Kontakt und arbeiten mit der Steuerberatungsgesellschaft noch enger zusammen. Dadurch konnten wir die Zahlen der vergangenen Jahre klar darstellen, ebenso wie die strikte Trennung zwischen Kultur und Gastronomie auf sichere Füße stellen. Die Stadt hat uns bescheinigt, dass wir auf einem guten Weg sind.

Erwirtschaftet die Gastronomie schon wieder Gewinn?

Bisher erst ganz ganz wenig aber der positive Trend ist deutlich. Der Mittagstisch war ein Minusgeschäft, die Entscheidung ihn einzustellen notwendig und richtig. Viele wünschen sich wieder ein Mittagsangebot, aber das geht erstmal gar nicht. Auch beim Sonntagsfrühstück werden wir nicht reich, daher bleibe ich bei einem Rhythmus von einem Frühstück alle sechs Wochen. Es kommt gut an, vor allem auch in Kombination mit dem Kinderkino im Free Cinema. Mir sind Angebote für Familien mit Kindern sehr wichtig, wir müssen aber mit unserer Gastronomie sehr fokussiert fahren und nicht zu viel auf einmal wollen, daher auch der deutliche Fokus auf den Abend mit einem festen Ruhetag pro Woche.

Mit der Konzentration auf das Abendprogramm sprechen Sie von Veranstaltungen wie der Live-Musik in der Kneipe?

Ja, auch. Diese Live-Musik-Abende werden sehr gut angenommen und ich bekomme viele Anfragen von Musikern aus der Region, die eine Auftrittsmöglichkeit suchen. Ich muss allerdings noch eine Zulassung beantragen, damit wir in Zukunft in der Kneipe regelmäßig Musik machen dürfen. Und wir müssen wegen den Anwohnern darauf achten, dass es nicht zu laut wird. Ich versuche jetzt die Live-Musik-Reihe nächstes Jahr im Zwei-Wochen-Rhythmus fortzusetzen, jeweils am zweiten und vierten Dienstag im Monat. Die Termine und Gruppen bis Ende März stehen schon.

Wie wird das neue Sprachen-Café angenommen?

Es hat erst zwei Mal stattgefunden. Zur Premiere kamen an die 40 Gäste und es waren sechs Sprachen vertreten. Beim zweiten Termin waren es schon acht Sprachen und ungefähr 50 Personen. Im Januar nehmen wir noch Dänisch und Türkisch dazu, aber es geht nicht darum jedes Mal noch mehr und noch größer zu werden. Langfristig wird es eher so sein, dass beim einen Termin jene fünf Sprachen vertreten sind, beim nächsten Mal dann jene anderen fünf usw. Die Idee mit dem Sprachen-Café kam von einer langjährigen Freundin des Hauses, die oft im Nellie Nashorn war und ist. Ich bin gespannt darauf was in Zukunft noch für Anregungen von unseren Gästen kommen. Und ich freue mich natürlich auf das, was der neue Kollege an Ideen und Netzwerken mitbringt. Das Nellie soll jedenfalls neben der Kleinkunstbühne, den Festivals und den Workshops wieder eine richtige Kulturkneipe werden. Formate wie die Live-Musik in der Kneipe und das Sprachen-Café sind da erste kleine Schritte, Kultur zugänglich zu machen für alle und Begegnungsorte zu schaffen, da ist aber noch sehr viel möglich.

Gab es auch beim Hof-Festival Ende November neue Anregungen für die Zukunft?

Von einigen Vereinsmitgliedern kamen Reaktionen wie „Das ist ja wie damals – der Hof ist voll mit Jungen und Alten“ oder „Toll, dass wieder etwas los ist“. Das war natürlich großartig und ich hab mich sehr an meine Studentenzeit in Marburg erinnert, wo wir ganz oft solche Festivals und Mitmach-Tage hatten. Mir ist dieses bunte Miteinander mit Platz für Kleine und Große extrem wichtig und ich habe auch den Eindruck, dass das sehr nah dran ist an dem Gründungsgedanken vom Nellie, der nach wie vor sehr aktuell ist.

Wie war die Resonanz im Allgemeinen?

Insgesamt sehr positiv. An den Abenden herrschte eine großartige Stimmung auf dem Hof, nachmittags war es mir teilweise zu ruhig. Das lag aber auch an der kurzen Vorlaufzeit und der geringen Werbung, vielleicht auch daran, dass da gerade der erste Advent war. Nächstes Jahr soll das Hof-Festival als Saisonauftakt Ende September / Anfang Oktober stattfinden und ich will noch mehr Gruppen, die im Nellie aktiv sind, bei der Organisation und beim Programm beteiligen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Free Cinema lief beim Festival sehr gut.

Das war in der Vergangenheit nicht immer so.

Ich weiß nicht genau, wie es vorher war, ich könnte mir jedoch vorstellen, dass zu stark auf Verboten herumgeritten wurde und wenig direkt miteinander geredet und angepackt wurde. Ich habe immer mit Jugendlichen gearbeitet und finde es großartig, was sie da drüben im Free Cinema machen. Darum kann ich auch eher mal ein Auge zudrücken, manche Sachen gehen aber auch einfach gar nicht. Wenns um irgendwelche Jugendschutzbestimmungen oder einheitliche Regeln auf dem Gelände geht, dann motz ich auch gern mal rum, aber es ist grundsätzlich klar, dass man sich respektiert und in eine gemeinsame Richtung will.

Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen Kultureinrichtungen wie SAK, Werkraum Schöpflin, Tempus fugit oder Burghof?

Wir tauschen uns viel aus, aber ich habe noch keinen kompletten Überblick, wann, was, wo und wie in Lörrach stattfindet. Darum frage ich beispielsweise direkt im Alten Wasserwerk an, wenn ich eine Veranstaltung plane, damit es keine Überschneidungen gibt. Ich sehe darin auch überhaupt keine Konkurrenz. Das wird an manchen Stellen jetzt so aufgebauscht, weil im Wasserwerk nun auch Erwachsenenkultur stattfindet. Die Leute, die zu uns kommen, sollen ruhig am nächsten Freitag dorthin gehen. Es ist doch großartig, wenn in Lörrach viel angeboten wird. Ich möchte auch Lesungen veranstalten und da bin ich mit dem Werkraum Schöpflin in Kontakt, der ja einen Schwerpunkt auf die Literatur setzt. Außerdem wünsche ich mir wieder mehr Vorträge im Programm, da kooperiere ich derzeit vor allem mit dem Galtung-Institut in Grenzach-Wyhlen. Wenns ums Kindertheater oder Theater allgemein geht, bin ich mit Karin Maßen im Gespräch. Mit dem Burghof gab es bislang nur im Rahmen des Internationalen Theatertreffs eine Zusammenarbeit. Ansonsten sehe ich da im Moment keine Berührungspunkte. Ich habe meine Fühler in viele Richtungen ausgestreckt und finde sehr viel Interesse vor. Ich muss einfach schauen, was sich langfristig aus den vielen Idee und möglichen Kooperationen machen lässt.

Kann man sagen, dass der Ruf des Nellie Nashorn langsam wieder hergestellt ist?

Das dauert noch. Mittlerweile finde ich es gut, dass das Nellie viel im Gespräch ist. Im September empfand ich es als sehr bedrückend, dass alle Augen auf uns gerichtet waren. Inzwischen spüre ich da vor allem Neugier und Unterstützung von vielen Seiten. In der Vergangenheit lief schon einiges schief und es wurden hier und da Leute vergrault, die eigentlich gerne im Nellie waren oder sich auch engagiert hatten. Das muss Schritt für Schritt repariert werden und damit bin ich noch lange nicht durch. Ich habe aber den Eindruck, dass Partner und Anlaufstellen wie das Finanzamt oder die Stadtverwaltung nicht nur kritisch sondern auch sehr geduldig mit uns sind. Insgesamt gibt es da wieder oder immer noch eine positive Grundeinstellung gegenüber dem Nellie Nashorn. Das ist toll und gibt uns Energie für das kommende Jahr.

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