Lörrach Konzert-Atmosphäre ohne Karte

Die Oberbadische

Stimmen-Festival: Hinter den Absperrungen zog ZZ Top viele Zaungäste in den Bann der Bärte

Marco, Sharon und Natascha freuen sich seit Wochen und reisen deshalb extra aus Laufenburg an, um ZZ Top live zu hören – allerdings nur aus der Distanz. Mit dabei: eine Kiste Bier, mehrere Flaschen Softdrinks, aber keine Karten. Denn: Seit Monaten ist das Konzert der Bluesrocker ausverkauft.

Von Lara Hackmann

Lörrach. Keine Chance für Spontanentschlossene – und doch lauschten mehrere Hunderte hinter den Absperrungen den Bartträgern aus Texas. Es blieben also zwei Möglichkeiten für diejenigen, die kein Ticket mehr bekommen hatten: Hoffen, dass jemand aus privaten Gründen kurzfristig seine Karte verkauft, oder außerhalb des Geländes das Feeling aufnehmen und die Straßen rocken.

Variante eins ging meistens in Variante zwei über, da nur sehr wenige ihre Karten zum Verkauf anboten – noch dazu zu sehr hohen Preisen.

So heizten ZZ Top also nicht nur dem ausverkauften Marktplatz mit ihrem röhrenden Bluesrock ein, sondern auch den insgesamt mehreren hundert Zuhörern an den Plätzen rund um das Festival-Gelände: der Brunnen an der Herrenstraße, die Kilian-Arkaden und der Marktplatz zwischen der Pizzeria „Eintracht“ und dem „El Gaucho“ waren die beliebtesten Plätze der kartenlosen Fans. Obwohl es keine uneingeschränkte Sicht auf die Bühne gab und auch die Akustik unter der Entfernung litt, wurde in den Straßen gefeiert und getanzt.

Einige bemühten sich dennoch einen Blick auf die Bühne zu erhaschen: Schon bei der Vorband „The Red Devils“ stand ein Mann am Brunnen an der Teichstraße, in der Hoffnung mit einem Fernrohr einen Blick auf die kalifornischen Musiker zu werfen. Diese Taktik fand im Laufe des Abends immer mehr Nachahmer.

Eine etwas modernere Variante: das Smartphone. Auch das wurde gerne von den Zaungästen benutzt. Aufgrund der hohen Absperrung gestaltete es sich aber gar nicht so leicht, gutes Foto oder Filmmaterial zu erstellen – zumal alle in die Höhe gestreckten Arme über kurz oder lang schlapp machten.

Gegen 21.30 Uhr wurde ein Mann am Brunnen beim Café Pape dann ganz besonders kreativ: er schlich sich Richtung Absperrung, stellte sich neben das Einlasspersonal, und sah sich das Konzert durch einen Schlitz in der Plane an – still und starr verweilte er dort für mehrere Minuten.

Es ging jedoch auch anders: Viele Zaungäste hatten überhaupt nicht das Bedürfnis, auf irgendeine skurrile oder dreiste Weise einen Blick auf die Rockstars zu erwischen. „Es geht um die Musik. Ich will einfach nur hier sein und entspannt zuhören“, erzählte Leon. Er genoss mit zwei Freundinnen und seinem Bandkollegen Tobi den Abend an der Herrenstraße. „ZZ Top gibt es schon immer. Die Band ist eine lebende Ikone“, fügte er hinzu. Dass sie nur außerhalb des Geländes sein können, störte die Vier nicht, da es ihre eigene Schuld gewesen sei: „Wir haben einfach verpennt, Karten zu kaufen“, sagte Leon.

Ein Abend mit Hintergrundmusik

Auch David und Fiona aus Weil am Rhein waren zu spät dran. Sie rockten mit vielen weiteren den Platz zwischen „Eintracht“ und „El Gaucho“. Dort saßen, standen und tanzten die meisten Zaungäste. Dazu trugen wohl auch die zwei Getränkestände und die vielen Essensmöglichkeiten bei. Denn verdursten konnte dort niemand, falls der eigene, mitgebrachte Vorrat ausgehen sollte.

Es gab auch Zaungäste, die aufgrund von „Äußerlichkeiten“ kein Ticket bekommen haben: „Der Markus hat viel zu wenig Haare auf’m Kopf und die Barthaare fallen ihm auch so allmählich aus“, nahm „Fidi“ seinen Freund auf den Arm. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Daniel waren sie zudem der Meinung, dass es hinter der Absperrung sowieso entspannter sei: „Wir sind Fans des Hardrocks. Scorpions, AC/DC und die Rolling Stones finden wir super. Ein Abend mit Hintergrundmusik von ZZ Top passt aber auch ganz gut“, erzählte Fidi.

Ganz gut dabei waren auch Stefan und Norman – tanzend standen sie vor unserer Redaktion. In Stefans Jugend hätte man ihn vor einem Rockkonzert jedoch nicht angetroffen: „Rockmusik war damals nur was für die ganz harten Burschen. Ich war eher der sanfte Typ. Mittlerweile bin ich aber 53 und die Zeiten haben sich eben geändert. Die Musik kann man gut hören und heute ist es ganz entspannt.“ Karten für das Konzert wollten sie jedoch nicht kaufen. Ein Grund dafür, so Norman: „Ich bin der größte Fan von Prince. Das wäre eine Art betrügen.“

FOTOGALERIE Weitere Fotos unter www.dieoberbadische.de

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