Lörrach Kritischer Blick aufs Verborgene

Die Oberbadische
Joey Schmidt-Muller widmet sich auch dem Thema Kindheit und Erwachsenwerden. Foto: Gabriele Hauger Foto: Die Oberbadische

Der Basler Künstler Joey Schmidt-Muller stellt in der Lörracher Galerie Ars Nova aus

Von Gabriele Hauger

Lörrach. Verbirgt nicht jeder Mensch einen Teil von sich hinter einer Maske? Seine Gefühle, Ängste, Träume? Tragen wir nicht alle Weiblich-, Männlich-, gar Tierisches in uns? Solche Gedankenspiele setzt der Basler Künstler Joey Schmidt-Muller in großformatigen Kohlezeichnungen und -bildern um, die imposant im Eingangbereich der Lörracher Galerie Ars Nova hängen.

Von einem Italienbesuch inspiriert, bei dem er auf alte venezianische Masken stieß, schuf er übermannsgroße Figuren mit vogelartigen Gesichtern, die Assoziationen zur Commedia dell’Arte auslösen. Masken und Körper, die detailgetreu aufs Papier beziehungsweise auf Kunststoffplatten gebracht sind, scheinen den Betrachter direkt anzuschauen. Fast provokativ, aber auch sehr geheimnisvoll, reizen sie einen, dahinter schauen zu können.

Joey Schmidt-Mullers Strich ist sicher und klar, die Beobachtungsgabe enorm, das Gedächtnis fantastisch, sind die Zeichnungen und Bilder doch aus der Erinnerung entstanden.

Diese Arbeiten stehen im Rahmen einer retrospektivischen Ausstellung unter dem Titel „Traumatische Sachlichkeit“ mit rund 70 seiner gegenständlichen Werke aus verschiedenen Schaffensphasen. Begegnungen, Erfahrungen, aber auch kleine Alltagsszenen und durchaus kritische gesellschaftliche Gedanken sowie das Thema Vergänglichkeit bewegen den Künstler, und lassen sich in seinen Arbeiten – darunter einige Objekte – nachempfinden.

Joey Schmidt-Muller hat keine stringente Künstler-Vita vorzuweisen. Angeregt von seinem hobbymalenden Vater, lernte er zunächst Grafiker auf der Kunstgewerbeschule Basel, dann schwenkte er um auf den Weg der Kunst. Als Jungtalent surrealistischer Malerei – sein großes Idol war Salvador Dalí – war er auf der ART Basel vertreten und auf dem Weg zum Durchbruch. Doch das junge Talent dachte zunächst ans Geldverdienen. Er zog nach Australien, führte dort ein Leben als Buchantiquar und Buchautor. Doch ihm fehlte das Ausleben seines Künstlertums, und nach 15-jähriger Pause, zurück in Basel, fing er wieder zu malen an.

Geradezu explosionsartig wirkt er seitdem mit größter Schaffenskraft, lebt und träumt – wie er bekennt – von der Kunst, ein Kreativitätsschub, „der einfach herausmusste“. Er realisierte drei Projekte mit der Künstlergruppe H’ART, schuf in einem Jahr bis zu 15 Ausstellungen.

In Lörrach lässt sich mit Ausnahme seiner Jugendzeit ein guter Überblick über die verschiedenen Schaffensphasen gewinnen. Nach der langen Kunstpause begann Schmidt-Muller ganz im Sinne da Vincis mit der Rötel-Technik. Eine Serie zeigt Zeichnungen, aber auch Vollbilder mit mehreren Schichten, die Menschen, Reiseerinnerungen, Begegnungen oder traumhafte Sequenzen zeigen. Da sind die Schuhe seines Galeristen, das Porträt einer Künstlerin, das Motiv des Gondoliere, das ihn bei Venedigbesuchen inspirierte, eine Menschengruppe, die ihn faszinierte. Alltägliches – individuell umgesetzt.

Wenige Schritte weiter stößt der Besucher auf aktuelle Experimentierbilder, Porträts mit verschobenen Gesichtszügen, auch hier wieder Masken und Schichten sowie eine eigene Version von Munchs weltbekanntem „Schrei“ .

„Doppelfilter“ heißt ein hängendes Objekt, in dem Schmidt-Muller klar lesbar Nikotinsucht und Zigarettenindustrie aufs Korn nimmt und dabei das Kreuzigungs-Motiv verwendet. Kritische Aussagen und Anregung sind für den Künstler wichtig. Neben persönlichen Träumen oder für ihn denkwürdigen Szenen und Erlebnissen, möchte er den kritischen Fokus auf die aktuelle Gesellschaft legen. Besonders deutlich wird dies in seinem Objekt „Frau-Jeder-Mann“, einer Art Reflexionsprozess unserer Zeit. Es geht um Konflikte, Krieg und Zerstörung, eine Figur mit Gasmaske, Tätowierung und Glaskugel, die nicht sehen kann und die der Künstler als Symbol für den Zustand unserer Erde versteht. Hier taucht die Farbe Rot in aggressiver Form auf, wie auch in einer weiteren Bilderserie des Künstlers, die sich dem Thema Kindheit und Erwachsenwerden widmet. Rot als Farbe der Liebe, aber auch der Gefahr.

u  bis 8. Februar 2015, Donnerstag und Freitag, von 12 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung

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