Von Nikolaus Cybinski Lörrach. Heute nennt man Menschen seines Schlages einen „loser“, und mit der Lebensgeschichte eines solchen begannen am Sonntag in der Lörracher Stadtkirche die von Marion Schmidt-Kumke betreuten und sonntäglich bis zum 18. Dezember stattfindenden „Stimmen im Advent“. Es sang das von Jakob Pilgram einstudierte Basler Vokalensemble larynx, und Peter Schröder, einst Schauspieler am Basler Theater, heute in Frankfurt am Main, las Charles Dickens’ „Geschichte des armen Verwandten“, der sein lebenlang nichts richtig auf die Reihe bringt. Was hat das mit Weihnachten zu tun" Sehr viel sogar, falls wir das Fest wieder als Geburt eines Viehstallkindes begreifen und Dickens’ Erzählung als „A Christmas Carol in Prose“, also als Kirchenlied hören. Der „arme Verwandte“ erzählt aus seinem Leben, und seine wohlhabenden Verwandten hören ihm vorweihnachtlich gestimmt zu. Er nutzt die Gelegenheit, das Loser-Image wenigstens einmal, und sei es nur verbal, loszuwerden und gibt sich als Mensch zu erkennen, „der Glück in der Liebe hatte“, der niemals im Leben „betrogen und enttäuscht“ wurde und dem es so gut geht, dass er sogar in einem Schloss wohnen kann, – auch wenn er zuletzt gestehen muss: „Mein Schloss ist in der Luft!“ und er zurückkehrt in die Clapham Road, wo er „ein sehr reinliches Hinterzimmer in einem sehr anständigen Haus“ bewohnt. So viel, in gebotener Kürze, zu Dickens’ „Der arme Verwandte“. Peter Schröder zuzuhören, war so animierend wie zuvor den sechs Sängerinnen: Laura Bingelli, Béatrice Droz, Jessica Jans, Marianne Knoblauch, Stefanie Knorr und Lisa Lüthi, die ohne ihren Dirigenten sangen, weil der just zu dieser Stunde Vater wurde. Mit dabei aber war die hervorragende Harfenistin Vera Schnider, die zwischen der Erzählung Benjamins Brittens „Suite for harp solo“ (op.83) mit präzis-sensibler Tonbildung brillant spielte. Dann war „larynx“ wieder gefordert und beschloss den adventlichen Auftakt mit Brittens’ „Hymn“ und „A ceremony of carols“ für Frauenstimmen und Harfe (op. 78) Umrahmt wurde die „ceremony“ vom gregorianischen Choral „Hodie Christus natus est“. Musikfreunden in der Region ist „larynx“ längst ein Begriff, und ihr Lörracher Auftritt machte einmal mehr klar, was dieses kleine Gesangsensemble bewundernswert kann: Klar und deutlich ohne jede Pose zu singen, die Intonation makellos stabil zu halten und sich mit wacher Einfühlung auf die verschiedensten Kompositionen einzustellen. Das wurde gleich zu Beginn hörbar, als sie Edward Lamberts (geboren 1951) „A Carol of Mary“ und Gustav Holsts (1874-1934) „Choral Hymns from the Rig Veda“ sangen. Das ist keine spektakuläre „Chormusik“, die die Zuhörer mitreißt, vielmehr eine, die von den Sängerinnen ein genaues Verständnis für die ungewohnten Feinheiten der Komposition einforderte. Grandios von „larynx“ gesungen! Langer Beifall in der gut besuchten Stadtkirche und ein Satz aus Brittens „ceremony“ als Zugabe. n  Sonntag, 4. Dezember, 17.30 Uhr, Stadtkirche, 2. „Stimmen im Advent“ mit Corou de Berra & Christian Heller „Polyphone Gesangskunst des Mittelalters“