Lörrach Nostalgische Hip-Hop-Gefühle

Die Oberbadische

Stimmen-Festival: „Beginner“ und zwei Deutschrap-Opas auf dem Marktplatz

Von Mirko Bähr

Lörrach. „Is ja hammer-hammerhart“: Aus den alten Boxen des noch älteren hellbraunen, keinesfalls rostfreien VW-Jettas wummern die Bässe, dazu bestes Reimgut, die Lautstärke „derbe“. Beste Stimmung also im Schopfheimer Sommer des Jahres 1999, die allerdings jäh von einem Herrn in Uniform unterbrochen wird. Eine Polizeistreife dreht am Regler und verteilt eine mündliche Verwarnung.

Knapp 20 Jahre später gibt es auf dem Lörracher Marktplatz ebenfalls eine Ansage. „Nicht so laut, da machen einem ja die Ohren weh“, faucht mich meine Frau an, als ich stolz wie Harry einige, altbekannte Textpassagen raushaue.

Zwei ordentliche verbale Backpfeifen, die Eizi Eiz (Jan Delay), Denyo und DJ Mad zu verantworten haben. Es sei ihnen verziehen. Schließlich haben die „Beginner“, Hamburgs Hip-Hop-Ikonen, den Deutschrap geprägt wie kaum jemand. Und nach 13 Jahren Pause sind die Füchse von der Elbe aus ihrem Bau gekrochen. Natürlich sind die Jungs älter geworden, aber die Leidenschaft für ihren sprachgewaltigen Job am Mikrofon ist unverkennbar groß. Es wird gereimt und gescracht, mal witzig, mal ernst. Aber immer jugendfrei. Sehr wohltuend.

Der Auftritt vor 4500 Fans beim Stimmen-Festival wird zu einer echten Zeitreise. Ein kleiner Teil Hip-Hop-Geschichte wird da in der Lerchenstadt geschrieben. Die Hits der neuen Platte wechseln sich mit Krachern der beiden Alben „Bambule“ (1998) und „Blast Action Heroes“ (2003) ab. Allesamt Werke, die diesen Musikstil beeinflusst haben und nun nicht mehr wegzudenken sind.

Mit „Ahnma“ legen die „Beginner“ los und verwandeln den Marktplatz gleich zum Hip-Hop-Mekka. „Hammerhart“ durfte ebenso wenig fehlen, wie „Gustav Gans“, „Das Boot“, „Schelle“, „Posse“, „Füchse“ oder „Es war einmal“. Ein musikalischer Gemischtwarenladen eben.

Spätestens als die Großväter des deutschen Sprechgesangs auf der Bühne auftauchen, ist die Stimmung nach einem kurzen Moment des Innehaltens fantastisch. Sind sie es wirklich? Torch und Toni L aus Heidelberg waren es, die als „Advanced Chemistry“ – so lautet auch der Titel des 2016 erschienenen Albums der „Beginner“ – wahre Pionierarbeit leisteten und als Erste überhaupt Ende der 80er mit deutschen Texten aufwarteten. Nostalgie pur. Bei „Wir waren mal Stars“ war Gänsehaut angesagt.

Über eineinhalb Stunden dauerte die Show der Hamburger und ihrer Gäste aus Heidelberg. Von der Bühne durften die „Beginner“ erst, nachdem sie auch noch ihren wohl größten Hit „Liebeslied“ zum Besten gegeben hatten. Das Publikum, in dem nostalgische Gefühle geweckt wurden, grölte mit und erinnerte sich an diesem Abend immer wieder gerne zurück – an die ebenso mühsam wie amateurhaft zusammengestellten Kassetten, den VW-Jetta ohne Servolenkung und die mündlichen Verwarnungen im Sommer 1999.

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