Lörrach Poetisch bis rasant

Die Oberbadische
Jordan Djevic (v. l.), Adriana de Los Santos, Rafael Faga, Gulam Kerimzade, Johanna Stein, Raquel Gigot und Servais Haanen bei der Akkordeonale im Lörracher Burghof Foto: Willi Vogl Foto: Die Oberbadische

Sieben Individualisten aus verschiedenen folkloristischen Welten bei der Akkordeonale im Burghof

Von Willi Vogl

Lörrach. Sie kommen aus verschiedenen Ländern und sind mit verschiedenen folkloristischen Welten verbunden: Adriana de Los Santos (Brasilien), Gulam Kerimzade (Iran), Raquel Gigot (Belgien), Jordan Djevic (Serbien), Servais Haanen (Niederlande). Begleitet wurden die akkordeonalen Akteure vom portugiesischen Fado-Gitarristen Rafael Fraga und der deutschen Cellistin Johanna Stein. Zu hören war eine Melange aus tradierter Folklore mit konzertantem Anspruch, elegisch bis virtuosen Improvisationen und liedhaften Kompositionen. Servais Haanens, Organisator und musikalische Seele des weltweit einzigen Akkordeonfestival auf Tour, moderierte das Konzert im Burghof. Mit scheinbarer, charmant kultivierter Naivität lieferte er den poetischen Rahmen für den globalen musikalischen Reigen aus Solo- und Ensemblepräsentationen.

„Nach einem Jahr Google-Kommunikation weiß er nun, was er hier spielen soll“, kündete Haanen launig einen Solobeitrag Gulam Kerimzades an. Die Mischung aus traditioneller iranischer Musik und Jazz zeigte sich trotz exzentrisch zitternden Tonwiederholungen, seltsam durchlöcherten Harmonien und dem hierzulande unüblichen nasalen Klang seines Instruments als äußerst kommunikativ. Damit nicht genug. Als Ersatz für die fehlende sprachliche Kommunikation inszenierte er mit der Melodie von „Freude schöner Götterfunken“ und swingenden Jazzrhythmen ein animierendes Frage-Antwort-Spiel mit dem Publikum. Das steigerte er bis zu einer Komplexität, die letztlich in eine aberwitzig rasant geführte Parallelbewegung seines Gesangs mit dem Instrument führte.

Als Kontrast zum quirligen Verkaufsgespräch des musikalischen Basars von Kerimzades zeigte sich Raquel Gigot in der entspannt bis lasziven Musettetradition ihrer belgischen Heimat. In Abwandlung von Haanens Ankündigung „In Belgien kann man nicht nur besser essen als in Frankreich, man kriegt dort auch mehr“, wurde der traditionelle Tonfall der Musette mit exquisiter konzertanter Feinheit gewürzt und bis zur völligen Sättigung dargeboten.

Hart, markant, ja stochernd aggressiv hingegen zeigte sich Adriana de Los Santos mit Weisen, wie sie die Gauchos ihrer brasilianischen Heimat kennen. Etwas von dem „Glück an dem man leidet und dem Schmerz, den man genießt“, wurde mit den Solobeiträgen des Fado-Gitarristen Rafael Fraga deutlich. Darüber hinaus lieferten Fraga und Cellistin Johanna Stein chamäleongleich Begleitfarben, die sich dem jeweiligen musikalischen Zungenschlag sensibel unterordneten.

„Jordan spielt Akkordeon, weil jeder fünfte Serbe kein Akkordeon spielt.“ Mit Haanens spaßigen Charakterisierung würde man Jordan Djewics Kunst jedoch nicht wirklich gerecht. Auf seinem elektrischen Akkordeon brillierte er vor allem mit quecksilbrig bewegter rechter Hand und lässt mal mit avantgardistischem Gezirpe, mal mit fulminant koordinierter Mehrstimmigkeit Balkanleidenschaft lebendig werden.

Alle solistischen Beiträge – tendenziell motorisch bestimmte Reißer zwischen echter und imaginärer Folklore – zeigten sich im besten Sinne als authentisch. Etwas anders verhielt es sich bei den Ensembleteilen. Wenngleich die zumeist von Servais Haanen beigesteuerten Kompositionen und Arrangements eine hörenswerte melodische Fantasie belegten, wirkten die liedhaften Reihungsformen etwas ermüdend und überzeugten nicht durchgängig. Andererseits konnten gerade diese Stücke als klingende Verlängerung der poetischen Moderation Haanens und damit als ungekünstelt wahrgenommen werden. Das Publikum erklatschte sich zwei Zugaben.

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