Lörrach Kalkulierte Routine – technisch brillant

Die Oberbadische
Viel Applaus für das Stuttgarter Kammerorchester, seinen Dirigenten Matthias Foremny (links) und den Klaviersolisten Florian Uhlig im Burghof. Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Musik: Stuttgarter Kammerorchester und Solist Florian Uhlig zu Gast im Lörracher Burghof

Von Jürgen Scharf

Lörrach. Beethovens zweites Klavierkonzert op.19 wird im Konzertbetrieb meist stiefmütterlich behandelt. Damit steht es in Sachen Popularität und Aufführungshäufigkeit im Schatten der anderen Klavierkonzerte. Wegen seiner Minimalbesetzung im Orchesterpart ist es aber ein geeignetes „Reisekonzert“. Das Stuttgarter Kammerorchester und der Solist Florian Uhlig hatten es am Freitag bei ihrem Auftritt im Burghof im Notengepäck.

Der 42-Jährige ist ein versierter Pianist, der dem vernachlässigten heiteren B-Dur- Klavierkonzert, das man von allen Beethoven-Konzerten am wenigsten im Ohr hat, klare Konturen gibt. Uhlig ist anschlagstechnisch souverän. Am Ende des ersten Satzes spielt er, wie die meisten seiner Kollegen, Beethovens großartige originale Kadenz mit dem markanten Fugato-Beginn. Diese kunstvolle Fuge, die unter seinen sicheren Händen klar und transparent Form annimmt, klingt im Vergleich zum ganzen Konzert unglaublich modern und avanciert.

Obwohl Uhlig Einzelheiten überlegen ausspielt, konnte man sich als Zuhörer im Hinblick auf das Ganze nicht des Eindrucks kalkulierter Routine erwehren. Da fiel auch ein Weniger an poetischem Ausdruck und melodischer Spannung auf. Uhligs Anschlag ist eher hart und mechanisch. Zwar gelingt ihm das wunderbare Passagenwerk der rechten Hand in dem lyrischen Mittelsatz perlend, dennoch hätte dieses fast schon elysische Adagio mehr Wärme und Poesie vertragen können. Brillieren kann der Pianist im quirligen Rondo-Finale – und dies extrem rhythmisch und voller Gusto. Die Stuttgarter unter Leitung von Matthias Foremny begleiten schon im ersten Satz mit vollem Orchestereinsatz. Das Dialogisieren zwischen Soloinstrument und Orchester war genau austariert, wobei immer die Balance zum Klavier gewahrt bleibt.

Generell gingen an diesem Abend die Bläser etwas unter, auch in der klein besetzten Haydn-Sinfonie Nr. 83 („La Poule“). Die ließ, wie vom Dirigenten augenzwinkernd angekündigt, durchaus Stellen mit Humor in der Musik hören. Die Interpretation war wohlklingend und elegant, dennoch hätte etwas mehr an Intensität und Affekten, wie man es von der historisch orientierten Spielweise her schon fast gewohnt ist, nicht geschadet.

Die beiden modernen Stücke in diesem ambitionierten Programm, Lutoslawskis eingängige Ouvertüre für Streichorchester und das „Etüdenfest für Streichorchester mit Klavier Off-Stage“, mit dem der Australier Brett Dean den technischen Fingerübungen ein klingendes Denkmal setzt, zeigten die Streicherqualitäten des Stuttgarter Kammerorchesters in schillernden Klangfarben.

Der Höreindruck – abstrakte Klänge, rasante Skalen, schnelle Tremoli, Flageoletts und ungewöhnliche Töne der mit Übe-Dämpfern spielenden Streicher – war gar nicht der eines „kakophonischen Chaos“ (Foremny), sondern der gut strukturierter farbiger Klangfelder und stieß im Publikum durchaus auf Gefallen. Am Schluss dieses Stücks war noch einmal Uhlig zu hören (nicht zu sehen), backstage, mit leisen Czerny-Etüdenläufen.

In der Zugabe konnten die Gäste aus der Landeshauptstadt einmal mehr ihre noble Streicherkultur und den warmen, weichen Edel-Sound vorführen: in dem Wohlfühl-Satz mit viel Kantilenen aus der Serenade von Julius Klengel – einer richtigen Gute-Nacht-Musik.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading