Lörrach Sofortige Entkalkung

Die Oberbadische
Im gut besuchten Burghof kassiert der Träger etlicher Kleinkunstpreise Lacher von der ersten bis zur letzten Minute. Foto: Veronika Zettler Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Musikkabarettist Lars Reichow begeisterte im Burghof

Von Veronika Zettler

Lörrach. Wär’s ein Aufsatz, würde der Lehrer ein paar kritische Kommentare darunterschreiben. Denn um „Freiheit“, wie der frühere Lehrer Lars Reichow sein Programm überschrieben hat, geht es nur hier und da. Aber es ist keine Schulstunde im Burghof, es ist Kabarett. Und mit etwas gutem Willen lassen sich auch schwachsinnige Rapper-Texte, vollautomatische Kaffeemaschinen und die miefenden Füße des heranwachsenden Sohnes im sinnhaften Gefüge des großen Themas sehen.

Bevor Reichow ins eigentliche Programm einsteigt, gibt es den kabarettüblichen tagesaktuellen Rundumschlag. Erdogan, Orban, Johnson, Trump. Der „unverschämteste, rassistischste, frauenfeindlichste Immobilienarsch“ mit dem „aufgenähten Ponylappen“ habe „mit seinen Barbies“ ins Weiße Haus Einzug gehalten. Das sei wie die Geissens im Bundestag, nur viel schlimmer, findet Lars Reichow, der vor nicht allzu langer Zeit Jan Böhmermanns Schmähgedicht als „satirischen Größenwahn“ eingestuft hat.

Im gut besuchten Burghof kassiert der Träger etlicher Kleinkunstpreise Lacher von der ersten bis zur letzten Minute. Gut zwei Stunden lang jongliert er Banales und Philosophisches, Musikalisches und Poetisches munter durcheinander. Einem klavierbegleiteten Lied über ein Merkel-Putin-Telefonat folgt eine längere Erzählung darüber, wie seine Familie mit dem Campingbus durch Norwegen tourt. Der Zuschauer erfährt, was er schon wusste: In so einem Wohnmobil ist es eng. Der Alkoven gleicht einer „Schlafwurst“, die Toilette ist in einer Schublade versteckt, die Platznot bringt mancherlei Einschränkung – und entpuppt sich bei Reichow doch nur als böser Traum.

Jetzt wird es aber Zeit, denkt man, dass der „gebürtige und bekennende Mainzer“ einen Trumpf spielt. Den schüttelt der Kabarettist mit der 25-jährigen Bühnenerfahrung denn auch elegant aus dem Ärmel. Das melancholische Lied über Freiheit ist ein Glanzlicht im Programm. Text, Stimme und Klavierspiel sitzen perfekt.

Während man noch der Pointe über die grenzenlose Freiheit im Alter nachsinnt, ist der selbsternannte „Klaviator“ bereits beim nächsten Thema angelangt: Männer in ihren 50ern, so wie der 52-jährige Reichow selbst. Sie sind „auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Kompetenz, auf dem Zenit ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit“, haben gar das „Frauenabitur“. Weil es trotzdem immer neue Verwirrungen gibt, gehen sie mit ihren Kumpels auf als Segeltörns getarnte „Frauenworkshops“.

Im zweiten Teil kreist Reichow sein Thema doch noch enger ein. Er beschreibt, wie er seinen freien Abend mit Pizza vor der Glotze genießt – und Flüchtlingsbooten beim Untergehen zusieht. Anschließend gibt er eine Art pfälzischen Heinz Becker und schwadroniert in Stammtischmanier über Flüchtlinge, Diktaturen und Religionen.

Vereinzelt hört man dem Programm an, dass es fast drei Jahre alt ist. Die Heirat von George Clooney ermöglicht indes die Überleitung zu den eingangs erwähnten Kaffeemaschinen. Wenn’s mal drauf ankommt, spucken sie keinen Kaffee aus, sondern bestehen in ihrem 16:9-Display auf sofortiger Entkalkung. „Warum tun wir uns diesen Technikfirlefanz an?“, fragt Reichow. Aus Freiheit wurde Freizeit. Und die treibt zuweilen seltsame Blüten.

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