Eintöniger Wechselflor mit Stiefmütterchen ist  in Lörrach vielerorts  passé. Die Zukunft gehört nachhaltigen Staudenpflanzen, die auch für Insekten als Nahrung wichtig sind. Die Akzeptanz für diesen Wandel aus Umweltschutzgründen steigt in der Bevölkerung nur langsam aber stetig.  

Von Kristoff Meller

Lörrach. Spitzwegerich und Thymian wachsen auf dem Grünstreifen zwischen Belchenstraße und Bahngleisen munter durcheinander. Die  üppige Blumenwiese wurde nicht angelegt, sondern wird vom Eigenbetrieb Stadtgrün nur gepflegt.  „Vor zehn Jahren wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Bürgermeister Michael Wilke. „Damals mussten städtische Grünflächen einen Liegewiesencharakter haben. Inzwischen wissen aber immer mehr Menschen, wie wichtig es für Insekten, Schmetterlinge und Singvögel ist, wenn Grünflächen so belassen werden.“

Kritik vor allem aus den Ortsteilen

Die Bevölkerung findet nur langsam Gefallen am veränderten Erscheinungsbild. „Es macht nicht alle glücklich“, weiß Wilke. Kritik gibt es vor allem aus den Ortsteilen. Indes: „In diesem Jahr sind die Anrufe von erfreuten Bürgern insgesamt erstmals in der Überzahl“, sagt Britta Stau-Abt, Fachbereichsleiterin Umwelt und Klimaschutz.

Vor 30 Jahren hat sie bei der Stadtverwaltung als Umweltberaterin angefangen, inzwischen hat sich viel getan.  Neben dem bereits 2010 verabschiedeten „Aktionsplan Biodiversität“ (siehe Kurzinfo am Ende des Textes) stehen dank der erfolgreichen Teilnahme der Stadt Lörrach am landesweiten Förderprojekt „Natur nah dran“ im vergangenen Jahr 15 000 Euro für die „naturnahe Umgestaltung von Grünflächen“ zur Verfügung.

Vorteile der Staudenpflanzen sind unter anderem die Langlebigkeit und die Zeitersparnis: Die 30 Mitarbeiter des Eigenbetriebs Stadtgrün müssen nicht mehr jährlich oder wie beim Wechselflor sogar halbjährlich  anpflanzen, und der Pflegeaufwand ist wesentlich geringer. „Die Kosten sind rund 20 Prozent geringer“, sagt Franz-Josef Friedrichs, Technischer Leiter des Eigenbetriebs Stadtgrün. Die Gewächshäuser zum Aufziehen haben zudem ausgedient.

Trockenheit und Hitze machen Pflanzen und Bäumen zu schaffen

Doch auch der Klimawandel beeinflusst das künftige Erscheinungsbild der städtischen Grünflächen. Denn die steigenden Temperaturen und immer längere Trockenphasen machen vielen Pflanzen und Bäumen zu schaffen: „Wir haben in diesem Jahr von April bis Juni durchgewässert“,  sagt Friedrichs.  Grundsätzlich werden nur Neupflanzungen und junge Gewächse im zweiten Jahr gewässert, doch auch die Streuobstbäume  auf Ausgleichsflächen  mussten laut Staub-Abt mit Wasser versorgt werden –  „sonst wären viele schon wieder hinüber.“

Hinzu kommen Pilz- und  Schädlingsbefall. Ein Lösungsansatz liegt laut Friedrichs in größerer Artenvielfalt: „Vielfalt gibt Stabilität, darum müssen wir uns breiter aufstellen.“ So seien einzelne Ausfälle  leichter zu verkraften.
Bei den an die neuen Bedingungen angepassten, artenreichen Staudenmischungen mit klangvollen Namen wie „Indianersommer“ und „Heimische Blütensteppe“ gelingt das, schwieriger wird es beispielsweise bei der Platane.

Vor 50 Jahren als toller Stadtbaum angepriesen, wird dieser aufgrund von wiederholtem Pilzbefall und Hitzestress mittelfristig aus dem Stadtbild verschwinden. Derzeit gibt es laut Friedrichs jedoch noch rund 700 Platanen im Stadtgebiet. Nach und nach sollen diese durch klimaresistentere Arten wie die  Purpurerle und den Zürgelbaum ersetzt werden.

Ein leidiges Thema ist auch die Bekämpfung von invasiven  Neophyten, die heimische Pflanzen verdrängen. In Lörrach sind besonders  Japan- und Sachalin-Knöterich, Späte und Kanadische Goldrute, Götterbaum und Essigbaum vertreten. Teilweise werden sie sogar im Supermarkt angeboten, so Wilke.

Um die Ausbreitung einzuschränken, ist unter anderem in Bebauungsplänen geregelt, was gepflanzt werden darf. Wirklich kontrollieren lasse sich die Einhaltung auf Privatgrundstücken jedoch aus Personalgründen aber nicht, gesteht Wilke. „Wir haben aber schon mehrfach Leute angeschrieben“, ergänzt Staub-Abt.

Generell seien die Aussichten beim Thema Neophyten aber ernüchternd: „Wir werden sie nicht mehr ganz wegbekommen. Zumindest aber von wertvollen Flächen sollen wir die Neophyten fernhalten oder  wieder entfernen.“

Biodiversität im Stadtgebiet:
Biodiversität oder biologische Vielfalt umfasst drei  Bereiche, die eng miteinander verzahnt sind:  die Vielfalt der Ökosysteme (Lebensgemeinschaften, Lebensräume wie Wälder und Meere sowie auch Landschaften),  die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. In Deutschland sind laut BUND von etwa 16 000 auf ihre Gefährdung untersuchten Tierarten über ein Drittel und von rund 14 000 Pflanzen- und Pilzarten über ein Viertel bedroht.
Die Stadt Lörrach hat im Juli 2010 nach einem Gemeinderatsbeschluss die Deklaration zur „Biologischen Vielfalt in Kommunen“ unterschrieben. Aufgabenfelder sind neben der Gestaltung und Pflege von Grün- und Freiflächen im Siedlungs- und Außenbereich, die Belange des Gewässerschutzes, des Arten- und Biotopschutzes, die nachhaltige Nutzung der Landschaft und die Öffentlichkeitsarbeit. Durch die Ausbringung von gebietsheimischen Saatmischungen auf innerörtlichen Flächen entstehen attraktive und ökologisch wertvolle Bereiche auch innerhalb des Siedlungsgebietes.