Seit  einem Monat werden unbegleitete minderjährige Ausländer (umA) in der zentralen Anlaufstelle der Jugendhilfe des Landkreises in der Brombacher Hugenmatt betreut. Erst am Mittwoch lobten zwei Bewohner bei einem Pressetermin die Situation vor Ort (wir berichteten). Nun erhebt eine Gruppe Vorwürfe gegen die neue Heimleiterin des Betreibers Campanet.

Von Kristoff Meller

Lörrach-Brombach. „Susanne Schuchardt beschimpft die Jungs  und ist sehr aggressiv“, beklagt  der ehemalige Sozialarbeiter Thierno Diallo im Gespräch mit unserer Zeitung. Er hat die neun Jugendlichen, die aus Ländern wie Eritrea, Somalia oder Guinea stammen, zunächst davon abgehalten, mit Plakaten vor das Rathaus zu ziehen, doch es müsse sich etwas ändern: „Mit Herrn Keller war alles super. Ich habe nichts gegen Campanet, aber die Frau behandelt die Mitarbeiter und Bewohner sehr schlecht.“

Richard Keller leitete zunächst die Ende Dezember umgewidmete Gemeinschaftsunterkunft für den vom Landkreis beauftragten Sozialdienstleister Campanet. Aufgrund eines familiären Notfalls, so Campanet, musste er die Leitung Anfang Januar jedoch abgeben. Schuchardt übernahm, und damit begannen laut Diallo die Probleme.

Seit Tagen gebe es kein Shampoo zum Duschen, der Sprachunterricht finde nicht mehr regelmäßig statt, und auch  das Essen sei mehreren Bewohnern an einem Abend verweigert worden, beklagen Diallo und die Jugendlichen.  

Zum Beweis präsentieren sie einen heimlichen Audio-Mitschnitt eines Gesprächs mit Schuchardt. Ein Bewohner bittet sie darin zu fortgeschrittener Stunde  um etwas zu essen, doch sie lacht nur. Als ein Sozialarbeiter dem Jugendlichen daraufhin etwas  geben möchte, schreitet Schuchardt  ein, wie auf der Aufzeichnung zu hören ist und sagt: „Der bekommt heute nichts zu essen, so wie er sich benommen hat.“
„Einen Tag später hat sie mich ins Büro geholt, mir gesagt, ich sei gekündigt und mir Hausverbot erteilt“, schildert der ehemalige Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte, am Telefon.

Campanet will Gespräch mit Heimleiterin suchen

„Diese sozialpädagogische Maßnahme  wundert mich, Essensentzug ist nicht üblich bei uns“, kommentierte Campanet-Pressesprecher Matthias  Schulz gestern  die Vorwürfe auf Anfrage. Schuchardt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch Schulz konnte noch nicht mit ihr sprechen. Laut seinen Recherchen habe sich der Vorfall aber wie folgt zugetragen:  „Fünf  Jungs hat das Abendessen nicht geschmeckt, den anderen schon. Einige Zeit später haben sie Hunger bekommen.“ In diesem Fall werden laut Schulz „Joghurt, Obst oder ähnliche Speisen angeboten“, eine erneute Essensausgabe sei aus „hygienischen Gründen und zur Einhaltung eines strukturierten Tagesablaufs“ nicht vorgesehen.

„Ein mittlerweile ehemaliger Mitarbeiter  hat gegen diesen Punkt der Hausordnung verstoßen und versucht, Essen auszuteilen. Dies wurde durch die Objektleiterin verhindert“, schildert der Pressesprecher. Schulz verspricht aber: „Ich werde mit Frau Schuchardt über den Fall sprechen.“ Eventuell fehle es der Heimleiterin, die  „sehr auf Ordnung bedacht“ sei, noch „an Einfühlungsvermögen“ für die Jugendlichen.

Landkreis will widersprüchliche Aussagen klären

Elke Zimmermann-Fiscella, Sozialdezernentin des Landkreises äußerte sich gestern wie folgt zu den Anschuldigungen: „Wir nehmen diese Vorwürfe ernst und sind derzeit noch in Rücksprache mit Campanet, um den Vorfall aufzuklären. Offenbar ist Anlass für den Unmut, dass Jugendliche, die zur Zeit der Essensausgabe keinen Hunger hatten und später danach verlangten, nur noch Kleinigkeiten zu Essen bekamen, wie es außerhalb der Essenszeiten üblich ist. Uns wurde versichert, dass zu keinem Zeitpunkt Trinken verweigert wurde. Aus pädagogischer Sicht betrachten wir diese Vorgehensweise als angemessen.“

Zimmermann-Fiscella weiter: „Eine abschließende Bewertung ist im Moment kaum möglich, da uns widersprüchliche Aussagen vorliegen. Möglicherweise geht es um Streitigkeiten, die ein größeres Ausmaß angenommen haben durch die Kündigung eines Mitarbeiters.

Nicht nachvollziehbar ist im Moment, dass die Jugendlichen, die sich offenbar ungerecht behandelt oder gar bedroht gefühlt haben, sich nicht umgehend an die beiden Sozialbetreuer des Landratsamts gewendet haben, die täglich vor Ort als Ansprechpartner im Einsatz sind.“