Lörrach Tränen haben keine Farbe

Die Oberbadische
Blues pur: Musiklegenden mit bewegender Botschaft                                                   Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Blues-Legenden Eric Ribb, Ruthie Foster und Harrison Kennedy im Burghof

Von Dorothee Philipp

Lörrach. „We have a dream“: Auch 50 Jahre nach dem Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ist der Traum von Frieden und Freiheit in weiten Teilen der Welt noch immer eine Utopie. Deswegen geriet der Auftritt der Blues-Legenden Eric Ribb, Ruthie Foster und Harrison Kennedy unter der Anspielung auf ein weltbekanntes Zitat des Bürgerrechtlers Martin Luther King zu einem bewegenden Statement mit aktuellen Bezügen, in dem Musik und Botschaft eins wurden.

Angekündigt waren die drei, doch als Überraschungsgast hatten sie noch den kanadischen Gitarristen Michael Jerome Brown mitgebracht: Ein fantastisches Quartett, das den Geist des Blues so intensiv durch den Burghof wehen ließ, dass man sich zeitweise bei einem Sit-In oder in einem Gospel-Gottesdienst wähnte. Keinerlei Firlefanz auf der Bühne, die vier sitzen einfach da mit ihren Gitarren und lauschen auf einander, singen ihre fantastischen Soli, in die die jeweils anderen dann mit leisen Kommentaren fast wie in Trance einfallen.

Harrison „sweet taste“ Kennedy hat außerdem einen Werkzeuggürtel umgebunden, in dem mehrere Mundharmonikas und zwei Holzlöffel stecken, das ganze Percussion-Instrumentarium des Abends.

Und dann diese Stimmen! Ruthie Foster fängt an mit einem charismatischen Solo, das an Expressivität nicht zu überbieten ist. Das Traditional „Stayed on Freedom“ wird in ihrer Version zu einem leidenschaftlichen Fanal. Jeder Ton ist bis zum Bersten mit Bedeutung aufgeladen, ihr Stimmvolumen ist gewaltig, eine großartige schwarze Soulstimme eben.

Auch Harrison Kennedy ist Blues pur: Sein Singen scheint von einer höheren Macht gelenkt, er lauscht in sich hinein, die Stimme folgt wie ferngesteuert den seismischen Ausschlägen der Emotionen, Glück und Sanftheit sind überschattet von einer allgegenwärtigen, zentnerschweren Trauer. Das Ganze wirkt fast wie eine leidenschaftliche Predigt, immer wieder unterstreicht er mit erhobenem Zeigefinger seine Botschaft.

Eric Bibb erzählt die Vorgeschichte von „Rosewood“: In einer kleinen Stadt in Florida geschah 1922 nach Rassenunruhen ein Massaker an der schwarzen Bevölkerung, das Jahrzehnte lang in den Geschichtsbüchern totgeschwiegen wurde. „Das Gift ist immer noch da, die Überlebenden haben Angst, etwas zu sagen“, umreißt er die Tragödie und leitet mit einigen Gitarrenakkorden über zu der finsteren Ballade, die sie beschreibt. „Begraben in der Asche der Geschichte“: Die Texte sind das Herzstück dieser Musik, aus ihnen wächst sie heraus, ganz selbstverständlich, ohne Künstelei. „Die Zeitungen berichteten, wie viele Weiße und wie viele Schwarze starben, aber die Tränen haben keine Farbe“: Auch Bibb ist ein begnadeter Sänger und Gitarrist, seine wohlig tiefe Stimme ist ein ideales Medium, um all das auszudrücken, was die vier Worte „We have a dream“ mit Emotionen und Assoziationen auflädt.

Michael Brown assistiert mit feinfühliger dezenter Gitarre, in einem kleinen Solo lässt er echte Meisterschaft aufblitzen, aber darum geht es an diesem Abend erst in zweiter Linie. Eigene Kompositionen wechseln mit Traditionals ab, aber wie diese bekannten Stücke umgesetzt werden, ist Emotion pur: So intensiv hat man Bob Dylans „Blowin’ in the Wind“, die unsterbliche Hymne der Friedensbewegung, noch nie gehört! Die Strophen teilen sich Kennedy, Foster und Bibb als Solisten, der Refrain kommt dreistimmig. Dazu weint die Bluesharp von Kennedy, ein winziges Ding, das fast in seinen Pranken verschwindet. Das Publikum, mitgerissen von der ersten Sekunde an, springt am Ende nach zwei Stunden von den Sitzen, klatscht und jubelt lautstark. „Don’t let anybody drag your spirit down“ heißt die Botschaft der Zugabe. Das kann man mitnehmen.

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