Kurven fahren, Vollbremsung üben und am Berg anfahren. Beim Fahrsicherheitstraining für E-Bike-Einsteiger im Rahmen des „Seniorensommer“ wurden am Mittwochvormittag grundlegende Fertigkeiten geübt. Die Erkenntnis der Teilnehmer: Wer sich im fortgeschrittenen Alter ein solches Rad anschafft, sollte auf jeden Fall zunächst einen Kurs absolvieren.

Von Kristoff Meller

Lörrach. E-Bikes sind immer gefragter: Laut dem Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) wurden in Deutschland 2009 rund 150 000 E-Bikes verkauft, im vergangenen Jahr waren es bereits 605 000. Mittlerweile, so der ZIV, sind hierzulande rund drei Millionen E-Bikes unterwegs. Vor allem ältere Kunden schätzen die motorisierte Unterstützung.

Doch ein E-Bike  fährt sich nicht wie ein normales Fahrrad: Es ist meist deutlich schwerer, die Bremsen sind stärker und das höhere Tempo ist gewöhnungsbedürftig. „Viele sagen, ich kann doch Radfahren und wollen sich nicht helfen lassen, dabei ist es ein ganz anderes Fahrgefühl auf dem E-Bike“, erklärt Alessandro Sepp. Er gibt seit zwei Jahren Fahrtechnikkurse für Mountainbike und E-Bike beim Radgeschäft „Follow me“. Die Kooperation mit dem Seniorenbeirat findet er gut: „Dadurch  erreichen wir viel besser die richtige Zielgruppe.“ Die Seniorenbeauftragte Ute Hammler hätte sich zwar noch mehr Teilnehmer gewünscht, Alessandro findet die Gruppengröße hingegen ideal zum Lernen.

Gute Gelegenheit zum „Reinschnuppern“

Bevor es losgeht, müssen vier der sechs Teilnehmer mit Leihrädern zum „Reinschnuppern“ ausgerüstet werden: „Es ist eine gute Gelegenheit, um auszuprobieren, ob ein E-Bike etwas für mich ist“, sagt Helga, während sie  „Follow me“-Mitarbeiter Simon mit dem Rad vertraut macht. Im Kurs ist man gleich beim „Du“.

Erna hat hingegen bereits seit längerem ein E-Bike. Viel gefahren ist sie aber bislang nicht: „Wenn’s hochkommt vielleicht zehn Mal. Für kürzere Strecken nehme ich das normale Rad, aber berghoch ist der Motor schon eine Erleichterung.“

So viele Knöpfe und Hebel

Nach einem Gruppenfoto und einer Einführung durch Alessandro geht’s los. Mit mäßiger Geschwindigkeit rollen die Teilnehmer die Straße entlang. Schon das Anfahren an der Ampel wird für manchen zur Herausforderung: Erstmal mit dem schweren Boliden, den zupackenden Scheibenbremsen und all den Knöpfen und Hebeln für  Motor und Schaltung vertraut machen.

Bis zum Pausenhof der Albert-Schweitzer-Schule schaffen es aber alle. Dort baut Alessandro einen Parcours aus kleinen Plastikhütchen auf. Erste Aufgabe: Slalom fahren. „Immer das innere Pedal  in der Kurve oben haben“, sagt er und demonstriert die Fahrweise.

Langsam tasten sich die Teilnehmer an die Kurven heran und werden immer mutiger. Karlheinz tritt in die Pedale und  zirkelt um die Hindernisse, dann reißt er eine Vollbremsung,  bevor er eines der Hütchen fast überfährt. „Das ist nur die mangelnde Übung, ich bin lange kein Rad gefahren“, erklärt er und versucht es noch einmal. „Ha, geschafft“, jubelt der einzige Mann im Kurs, als er den Parcours schließlich fehlerfrei meistert.

Schwieriger wird es bei der Gleichgewichtsübung: Langsam aneinander vorbeifahren und sich dabei die Hand reichen und den Namen sagen. „Oh nein, dürfen wir auch schieben?“, fragt Barbara. „Geschoben wird nicht“, antwortet Alessandro mit einem Lächeln. „Mit dem schweren E-Bike ist das bei langsamer Geschwindigkeit nicht einfach“, weiß er. Doch diese Fertigkeit ist wichtig, um später im Straßenverkehr sicher den Arm zum Abbiegen ausstrecken zu können.

Anschließend steht Bremsen auf dem Programm: nur hinten, nur vorne und zum Schluss die Vollbremsung. „Quietsch.“ Das Hinterrad von Karlheinz hinterlässt eine schwarze Bremsspur. „Super, das war ja schon fast eine Notbremsung“, lobt Alessandro und versucht, die weiblichen Teilnehmer zu mehr Tempo zu motivieren.

Unsicherheit und Angst im Straßenverkehr

Gerade bei solchen Manövern merkt man den Neulingen die Unsicherheit an: „Mein Velo ist seit vier Jahren still gestanden, aber der Kurs gibt mir die Motivation, wieder einzusteigen“, erzählt Barbara. Sie wohnt in Tüllingen. Ein motorisiertes Rad wäre hilfreich für den Berg. Sie traut sich dort jedoch kaum auf die Hauptstraße, weil sie Angst vor zu dicht überholenden und zu schnellen Autos hat.

Vom E-Bike ist sie am Ende des Vormittags hingegen begeistert: „Ich hätte nicht gedacht, dass das Anfahren am Berg so easy ist. Das war ein richtiges Aha-Erlebnis.“

„Ja, bergauf ist das richtig angenehm“, pflichtet ihr Helga bei. Nach einem kleinen Sturz ohne große Blessuren, ist sie mit dem Rad von Kursbegleiterin Brigitte Martin unterwegs, weil das Leihrad etwas zu groß war. Mit diesem kommt sie viel besser zurecht und hat sichtlich Spaß. „Es ist aber wirklich sinnvoll, dass man zunächst einen Kurs macht“, sagt sie und erhält breite Zustimmung von den anderen Teilnehmern. Nach zweieinhalb Stunden Training, ist sich das Sextettt einig, dass das für sie nicht die letzten Kilometer auf dem E-Bike gewesen sein werden.