60 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wohnen derzeit in der zentralen Anlaufstelle der Jugendhilfe des Landkreises in Brombach. Jeder kommt mit einer eigenen Geschichte und Zielen hierher, die Perspektive ist für die meisten aber ungewiss.

Von Kristoff Meller

Lörrach-Brombach. Trotz klirrender Kälte   trägt Ali in der beheizten Traglufthalle zu seinem Kapuzenpulli und Jogginghose nur Badelatschen. Fast ein Jahr war der 17-Jährige  unterwegs, bis er am 25. Dezember nach dem Grenzübertritt in Weil am Rhein in Lörrach landete. Erst nahm die Polizei seine Daten auf, dann kam er zur Untersuchung in ein Krankenhaus. „Das war das erste Mal, dass ich auf meiner Reise untersucht wurde. Der Doktor hat gesagt, dass alles ok ist“, erzählt er  stolz.

Seine Flucht  führte ihn von der Westküste Afrikas über Libyen ans Mittelmeer. Nach der erfolgreichen Überfahrt schlug er sich zunächst auf Sizilien durch. Aber in Italien gefiel es ihm nicht: „Die  Deutschen können anders als die Italiener fast alle Englisch.“ Doch vor allem seien Menschlichkeit und Respekt  gegenüber den Flüchtlingen in Deutschland wesentlich größer.

Die gesetzlichen Vorgaben sehen  die Inobhutnahme der Minderjährigen zu deren Schutz vor. Ali war einer der ersten, der in der ehemaligen Gemeinschaftsunterkunft in der Hugenmatt  eines der Vier-Bett-Zimmer bezog. An den Wänden   hängen gemalte Bilder, selbst gebastelte Infoplakate zu wichtigen Vokabeln rund ums Essen, aber auch eine Karte der Bundesrepublik. „Ich will in Deutschland bleiben, die Sprache lernen und Arbeit finden“, benennt Ali seine Ziele. Am liebsten möchte er als Maler arbeiten – wie schon in seiner Heimat.

In Lörrach wird der junge Afrikaner jedoch keine Häuser und Wohnungen streichen. Bereits am Montag erfolgt sein Transfer nach Wittenberg. Am anderen Ende Deutschlands soll er einen regulären Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung bekommen. Mehr weiß er noch nicht: „Sie haben mir nicht erzählt, was mich dort erwartet.“

Ob Lörrach oder Lutherstadt – mit seiner Familie bleibt er dank Mobiltelefon und Internet in den Einrichtungen in  Kontakt. „Ich bin ihre ganze Hoffnung“, weiß er. Seine  Familie  werde nicht  politisch verfolgt, erzählt Ali ganz offen, aber als einziger Sohn soll er seinen Eltern und Schwestern möglichst schnell  Geld schicken. „Gambia ist ein kleines und sehr armes  Land, als Familie dort zu überleben ist sehr schwierig.“  Nicht die instabile politische Lage sei das Hauptproblem sondern die Armut.

Etwas anders ist die Situation von Mohammed: „Meine Gründe für die Flucht nach Deutschland sind politisch motiviert“, betont der zweite Gesprächspartner aus Gambia. Er ist zunächst deutlich schüchterner und taut nur langsam auf. Auch er ist nach eigener Aussage  17 Jahre alt. Schon im August 2015 hat er seine Heimat verlassen. Nach dem beschwerlichen Weg durch die Wüste und über das Mittelmeer lebte er  acht Monate in einem Camp in Neapel, bevor er weiter Richtung Norden zog.   

Mohammed interessiert sich für elektrische Dinge und würde gerne später in diesem Bereich eine Arbeit finden.  Nach Gambia will er nicht zurück: „Man darf die Regierung nicht kritisieren, sonst landet man im Gefängnis und wird hart bestraft“, deutet er ein Erlebnis als Elfjähriger an. Mehr Details will er aber nicht nennen.

 Wirtschaftliche oder politische Gründe – die Bleibeperspektive ist für beide  nicht gut: „Wenn sie 18 sind, können sie einen Asylantrag stellen, aber Gambia zählt zu den sicheren Herkunftsländern“, erklärt Junia Folk, Pressesprecherin des Landkreises.

Im Moment sind 60 der 104 Plätze  in Brombach belegt, doch die Zahl variiere ständig. Zwischen 40 und 80 minderjährige Flüchtlinge leben seit der Inbetriebnahme Ende Dezember in den beiden Traglufthallen mit angegliederten Containern. Rund 20 bis 30 Zugänge gibt es laut Folk pro Woche, gleichzeitig verlassen  regelmäßig Bewohner die Zwischenstation. „Unser Ziel ist es, die Jugendlichen zügig weiterzuleiten, damit sie nicht hängenbleiben.“

Seit die Grenzen in der Türkei geschlossen sind, kommen   im Landkreis keine minderjährigen Syrer oder Afghanen, sondern nur noch  Afrikaner an, sagt Maximilian Schmalz. Der Sozialbetreuer führt viele Erstgespräche mit den Flüchtlingen. „Die meisten machen zunächst einen ziemlich starken Eindruck. Das Erlebte haben sie wie in einem Tresor eingeschlossen“, erklärt Schmalz. „Das Wichtigste für die meisten ist es, erst einmal in Sicherheit zu sein.“    

Das sind sie. Negative Erfahrungen haben Ali und Mohammed bei ihren wenigen Erkundungstouren in Lörrach nicht gemacht: „Alle sind sehr nett zu uns und grüßen einen teilweise auf der Straße einfach so“, erzählt Ali.  „Ansonsten kann ich aber noch nicht viel über Deutschland sagen – ich habe ja noch fast nichts davon gesehen.“