Lörrach „Viele haben auf meinen Rat vertraut“

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Hermann Harrer Foto: zVg Foto: mek

Interview: Heute wird der Seniorpartner Hermann Harrer auf Schloss Bürgeln in den Ruhestand verabschiedet. Gleichzeitig wird der Zusammenschluss der Kanzleien Bender aus Freiburg und Harrer & Krevet aus Lörrach vor zehn Jahren gefeiert.

Mit 71 Jahren tritt der renommierte Lörracher Rechtsanwalt Dr. Hermann Harrer in den Ruhestand. Gut 40 Jahre war er in der Kanzlei „Bender Harrer Krevet“ tätig. Guido Neidinger sprach mit ihm.

Herr Harrer, Sie gehen nach einem langen Berufsleben in wenigen Tagen in den Ruhestand. Was überwiegt, Wehmut oder die Vorfreude auf einen neuen Lebensabschnitt?

Das hält sich die Waage. Ich bin jetzt gut 40 Jahre in unserer Anwaltskanzlei tätig. Ich muss zugeben, es hängt sehr viel Herzblut daran und an meiner Arbeit. Ich denke aber, dass es mit 71 Jahren ein guter Zeitpunkt ist, Schluss zu machen. Und ich freue mich auch darauf, jetzt mehr Zeit für persönliche Dinge zu haben. Der Abschied fällt mir leichter, weil ich sehr kompetente Partner und Kollegen habe, die meine bisherige Arbeit gut übernehmen können. Nennen möchte ich hier in meinem Fachgebiet Dr. Ute Lusche als Partnerin und Dr. Dominic Roth als angestellter Anwalt, der seit fast fünf Jahren mit mir zusammenarbeitet.

Was ist denn Ihr Fachgebiet?
Ich bin Fachanwalt für Steuerrecht. In der Praxis habe ich vorwiegend Gesellschaftsrecht, Steuerrecht und Erbrecht betrieben. Viele Familienunternehmen haben auf meinen Rat vertraut und auf mich gebaut. Ich habe meinen Schwerpunkt immer als Wirtschaftsanwalt gesehen. In dieser Funktion habe ich über die Jahre hindurch bei zahlreichen Unternehmensverkäufen mitgewirkt und Unternehmer bei der Nachfolge beraten.

Seit mehreren Generationen ist die Familie Harrer in Lörrach eine angesehene Anwaltsfamilie. War Ihre Entscheidung, ebenfalls Anwalt zu werden, eher eine Herzensangelegenheit oder der Familientradition geschuldet?
Mein Großvater hat 1909 die Kanzlei in Lörrach gegründet. Nach dem 2. Weltkrieg ist mein Vater eingetreten. Als ältester Sohn war mein Vater sehr stark daran interessiert, dass ich in die Fußstapfen von ihm und meinem Großvater trete. Da ich keine anderen spezifischen Ambitionen in Richtung einer alternativen beruflichen Orientierung hatte,  hat sich das Jura-Studium für mich angeboten. Ich  hatte mich allerdings auch für das Bankfach interessiert, habe dann aber den Weg in die väterliche Praxis vorgezogen. In den Jahren 1976/77 war ich in Mülheim an der Ruhr für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Als aber ganz plötzlich der Partner meines Vaters starb, habe ich mich entschlossen, nach Lörrach zurückzukehren. In meiner Lebensplanung war das so nicht vorgesehen, weil ich noch gerne einige Zeit in der Wirtschaftsprüfung tätig gewesen wäre und auch einen Auslandsaufenthalt geplant hatte. Den Eintritt in die väterliche Kanzlei habe ich aber nie bereut.

Was macht für Sie rückblickend den Reiz des Anwaltsberufs aus?
Anfangs war ich noch im Familienrecht tätig und habe Zivilprozesse geführt. Ich habe aber sehr schnell gemerkt, dass meine  Neigungen nicht im forensischen, sondern eher im gestaltenden Bereich liegen. Ich habe die Beratung von Unternehmen im Wirtschaftsrecht vorgezogen. So saß ich lange Zeit in zahlreichen Beiräten und Aufsichtsräten, unter anderem für die Zigarrenfirma Villiger Söhne AG in der Schweiz.

Wie hat sich der Anwaltsberuf in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Alles muss heute sehr schnell gehen. Es wird erwartet, dass auf Anfragen sehr schnell elektronisch geantwortet wird. Anwälte müssen dem Rechnung tragen, ohne dass die Genauigkeit und Qualität ihrer Arbeit darunter leidet. Die notwendige Spezialisierung ist eine Folge dieser Entwicklung.

Der Trend geht heute zu größeren Anwaltskanzleien. Wie muss eine Kanzlei heute aufgestellt sein, um erfolgreich zu sein?
Es gibt immer noch eine große Bandbreite. Wir haben in Metropolen Großkanzleien mit hunderten von Anwälten, aber am anderen Ende auch noch den Einzelanwalt, der alle juristischen Felder abdecken will, was in der Praxis aber nicht möglich ist. Wir sind in der oberen Mitte angesiedelt mit derzeit 35 Anwälten an drei Standorten in Lörrach, Freiburg und Karlsruhe. Wir wollen weiter wachsen, allerdings kontrolliert und nur regional innerhalb von Baden-Württemberg. Industrieunternehmen erwarten eine gewisse Größe. Es wird vorausgesetzt, dass man gegebenenfalls sechs oder sieben Anwälte zur Verfügung stellen kann. Wenn man in der Lage ist, diese Leistung zu erbringen, erhält man auch attraktive und interessante Mandate.

Auch Ihre Kanzlei ist mehrfach Kooperationen eingegangen.
Mein Vater hat in den 70er Jahren mit einem Steuerberater die Steuerberatungsgesellschaft – später auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – Loeba  Treuhand GmbH gegründet. Er hatte festgestellt, dass Steuerberater den Anwälten auf ihren ureigensten Feldern, wie zum Beispiel Gesellschafts- und Erbrecht, häufig Konkurrenz machten. Die Beziehungen zur Loeba  sind nach wie vor sehr eng. Unter anderem  bin ich Beiratsvorsitzender dieser Gesellschaft.
Vor zehn Jahren sind wir mit der Kanzlei Bender aus Freiburg zusammengekommen. Die öffentlich-rechtlichen Kompetenzen von Bender einerseits und  die wirtschaftlichen und steuerrechtlichen Kompetenzen der Kanzlei Harrer/Krevet andererseits boten sich dafür geradezu an. Die Entscheidung fiel uns auch deshalb leicht, weil beide Kanzleien von denselben Grundsätzen einer anwaltlichen Berufsausübung getragen waren.  Bereits 1977 ist Dr. Reinhold Krevet als Partner zu uns gestoßen. Er war damals eine wertvolle Bereicherung unseres Büros, weil er langjährige Industrieerfahrung hatte.

Auf welche Rechtsgebiete hat sich Ihre Kanzlei spezialisiert?
Wir decken nicht alles ab. Unsere Schwerpunkte sind Wirtschafts- und Steuerrecht. Darunter fallen unter anderem Gesellschaftsrecht,  Arbeitsrecht, internationales Wirtschaftsrecht, Erbrecht, gewerblicher Rechtsschutz, internationales Privatrecht und Handelsrecht.

Trotz Ihres anstrengenden Berufs haben Sie sich auch als Stadtrat kommunalpolitisch engagiert. Was waren Ihre Beweggründe?
Die 70er und 80er Jahre waren politisch aufregende Zeiten. Meine Überzeugung ist es, dass Bürger sich für ihr Gemeinwesen engagieren und sich für Ehrenämter zur Verfügung stellen sollten. 1980 wurde ich für die CDU in den Gemeinderat gewählt. Drei Jahre später übernahm ich den Vorsitz der Fraktion, die ich bis zu meinem Ausscheiden im Jahr 1994 führte. Besonders wohltuend ist mir die stets sachgeprägte Zusammenarbeit mit dem damaligen Oberbürgermeister Rainer Offergeld in Erinnerung.

Was sind die wichtigsten Entscheidungen, die Sie als Stadtrat mitbegleitet haben?
Das war die Entwicklung der Innenstadt, aus der wir den Verkehr gegen Widerstände aus dem Einzelhandel herausgeholt haben, und die Entwicklung des Rumpel mit dem zentralen Migros-Gebäude (Anmerkung der Redaktion: heute Rewe). Es war ein harter Kampf, eine Mehrheit gegen den unserer Meinung nach nicht stimmigen ursprünglichen Verwaltungsvorschlag zusammenzubekommen. Wir forderten damals einen Architektenwettbewerb. Ich glaube,  dass wir etwas sehr Vernünftiges zustande gebracht haben. Die gesamte Innenstadtentwicklung hat nachhaltig positive Auswirkungen für Lörrach.

War die ehrenamtliche Tätigkeit als Feierabend-Politiker eine Belastung für Sie oder eher ein Ausgleich?
Für mich war das ein Ausgleich. Die Jahre als Stadtrat waren eine wunderbare Zeit, weil ich mit Menschen zusammenkam, mit denen ich sonst nie etwas zu tun gehabt hätte. Ich habe ganz einfache tolle Menschen aus allen Schichten kennen- und wertschätzen gelernt. Dafür bin ich heute noch dankbar.
Nach 14 Jahren kam ich dann aber auch zum Schluss, dass ein solches politisches Ehrenamt nicht zu lange ausgeübt werden sollte. Ich denke, dass ich einen guten Absprung geschafft habe.

Kann man als Stadtrat tatsächlich einiges bewirken im politischen Willensbildungsprozess?
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man Freizeitpolitiker ist und die Verwaltung einen enormen Wissensvorteil hat. Deshalb ist es schwierig, der Verwaltung Paroli zu bieten. Aber wenn es Informationsbedarf gibt, dann kann man den ja einfordern. Trotz der dargestellten Schwierigkeiten kann man politisch durchaus etwas bewegen.

Konnten Sie Ihre beruflichen Qualifikationen bei der Ausübung Ihres politischen Mandats einbringen?
Die juristischen Qualifikationen haben mir dabei mit Sicherheit geholfen. Oft wurden rechtliche Sachverhalte diskutiert, bei denen ich meine beruflichen Kompetenzen einbringen konnte. Dennoch war es nicht immer ganz einfach, andere zu überzeugen. Ich habe allerdings für meine Überzeugungen gerne gekämpft.

Sie waren aber auch noch darüber hinaus gesellschaftlich engagiert.
Ja,  bis heute. Ich wurde 1995 in den Vorstand der „Tüllinger Höhe“ gewählt. Heute bin ich dort Aufsichtsratsvorsitzender. Seit 35 Jahren führe ich den Förderverein der Freunde des Hebelgymnasiums. Zudem war und bin ich in einigen Stiftungen ehrenamtlich tätig.

Was würden Sie einem jungen Menschen, der sich für Jura interessiert, raten?
Beruflich wichtig ist vor allem eine gute Ausbildung für Juristen. Es muss jedem, der diesen Beruf ergreift, klar sein, dass er sich für eine Spezialisierung entscheiden muss. Jeder Jurist sollte heute Wirtschaftswissen haben, mit Zahlen umgehen und eine Bilanz lesen können. Für enorm wichtig halte ich auch Auslandserfahrung. Wenn Sie mit Ihrer Frage zusätzlich das Ehrenamt ansprechen, dann sehe ich es als noble Bürgerpflicht an, sich für ehrenamtliche Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen. Der Zeitaufwand für diese Tätigkeiten ist  keine vergeudete Zeit.  Ein derartiges bürgerliches Engagement würde vielen Gremien, vor allem auch  dem Gemeinderat, zugute kommen.

Zur Person:
Dr. Hermann Harrer wurde am 26. Juni 1946 in Lörrach geboren. Er legte 1966 das Abitur am Hebelgymnasium ab und studierte Jura in Freiburg, Genf und München. Er promovierte über „Probleme der Geldentwertung beim Ausgleich des Zugewinns“. 1976 war er in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Mülheim an der Ruhr tätig. 1977 trat er in die Anwaltskanzlei seines Vaters in Lörrach ein. Hermann Harrer ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter.

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