Die Flüchtlingszahlen sind zuletzt deutlich gesunken, die Prognosen  wurden nach unten korrigiert. Die Herausforderungen für die Stadt Lörrach sind dadurch aber keineswegs gesunken. Sie muss in den kommenden eineinhalb Jahren Wohnungen für mindestens 500 Personen in der Anschlussunterbringung finden.

Von Kristoff Meller
Lörrach. „Es gibt keine Entwarnung, die Zahlen werden eher wieder steigen“, erklärte Bürgermeister Michael Wilke gestern. Im Landkreis werden in diesem Jahr zwar anstatt der im Januar prognostizierten 4500 Flüchtlinge nur rund 1500 erwartet, die weitere Entwicklung ist angesichts der angespannten Situation in der Türkei und der steigenden Zahl von Flüchtlingen, die den Weg über das Mittelmeer nach Italien meistert,  jedoch sehr ungewiss. „Wir werden keine Flächen aufgeben“, ergänzte Oberbürgermeister Jörg Lutz.

Außerdem gibt es eine gesetzliche Regelung, dass jedem Flüchtling künftig  sieben Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung stehen müssen und nicht wie bislang nur vier. Diese tritt zum 1. Januar 2018 in Kraft und der Landkreis möchte sie nun nach und nach umsetzen, weshalb sich die Kapazität im Kreis auf etwa 1600 Plätze verringern wird.  Diese werden angesichts der erwarteten   Flüchtlinge aber ausreichen, weshalb  keine neuen Gemeinschaftsunterkünfte (GU) benötigt werden: „Im Moment haben wir alle Projekte gestoppt“, erklärte Thomas Vollbrecht, Leiter des Fachbereichs Aufnahme und Integration, in der vergangenen Woche im Kreistag.

Davon betroffen ist auch die geplante Gemeinschaftsunterkunft in Haagen. „Es ist nicht klar, ob sie gebaut wird, wir haben den Spatenstich für September abgesagt“, sagte Wilke. Auch der Erbpachtvertrag zwischen Kirche und Landkreis wurde nicht unterzeichnet. Dafür wächst das Interesse der Stadt für die brach liegende Fläche an der Hornbergstraße. Denn die Anschlussunterbringung (AU) – Versorgung der Personen mit dauerhaftem Wohnraum – stellt die Verwaltung  vor weitaus größere Herausforderungen als die GUs. Bis Ende 2017 werden in Lörrach mindestens 500 Personen mit Wohnraum versorgt werden müssen. Allein für dieses Jahr  wird mit etwa 220 Personen gerechnet. Bis September hofft die Stadt, immerhin rund 100 Menschen in Wohnungen unterbringen zu können.

„Wir können so schnell keinen festen Wohnraum schaffen und werden nicht darum herumkommen, Container und Häuser in Leichtbauweise zu errichten“, sagte der Bürgermeister. „Alle am Wohnungsmarkt beteiligten Personen können  Ihren Beitrag zur Lösung der Herausforderung beitragen“, ergänzte Lutz, der vor allem auf die Unterstützung der  Wohnungsunternehmen setzt. Wichtig ist Lutz zudem eine  Verteilung der Flüchtlinge auf die ganze Stadt: „Es darf keine Ghettos geben.“

Unterdessen werden die Planungen für eine Umnutzung der GU Gretherstraße zur AU durch den Landkreis nicht unterstützt. Das Landratsamt  möchte das Gebäude nun größtenteils  doch weiterhin als GU und für Büroflächen nutzen. Lediglich zehn Wohnungen werden der Stadt wohl für die AU zur Verfügung gestellt. „Der Landkreis zeigt sich nicht in der Form kooperativ, wie wir das wollen“, beklagte Wilke.

Ein weiteres Problem neben dem ohnehin  knappen Wohnraum sind laut Wilke die Kosten. „Wir bekommen den normalen Hartz-IV-Satz für jeden Flüchtling in AU.“ Dieser deckt bei weitem nicht die durchschnittlichen Mietkosten für eine Neubauwohnung. Lutz: „Der schwarze Finanz-Peter wird wohl mit den Kommunen nach Hause gehen.“

Flüchtlingssituation:
Derzeit leben etwa 330 Flüchtlinge in vorübergehenden Unterkünften in Lörrach, wobei in den bestehenden drei Gemeinschaftsunterkünften (GU) Platz für rund 400 Personen vorhanden ist. Diese werden vom Landkreis betrieben. Aktuell befinden sich GUs auf dem Sportplatz Brombach, an der Gretherstraße sowie im Innocel-Quartier.

Nach derzeitigem Stand wird die Unterkunft auf dem Sportplatz Brombach ab Anfang 2017  in die Nähe der Kartbahn umziehen. Dort können aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben etwa 160 Flüchtlinge untergebracht werden.  Die GU im Innocel-Quartier ist befristet bis Ende 2016.