Lörrach Wie ein ungeschliffener Rohdiamant

Die Oberbadische
Mann mit Botschaft: Benjamin Clementine Foto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Stimmen II: Singer-Songwriter Benjamin Clementine im Burghof

Von Willi Vogl

Lörrach. Benjamin Clementine kann singen, er hat eine Botschaft und inzwischen eine große anglophile Fangemeinde. In den einschlägigen Medien der britischen Insel wurde er als „aufregendes neues Talent“ bezeichnet. Nach langer Anlaufzeit ist es nun auch Festivalmacher Markus Muffler gelungen, den Gewinner des renommierten Mercury Preises 2015 zu einer Kostprobe seiner Kunst nach Lörrach einzuladen. Clementines Konzert beim Stimmen-Festival war ausverkauft.

Der Singer-Songwriter aus Großbritannien kam mit einer Begleitband bestehend aus vier Background-Sängerinnen, Schlagzeuger, Bassgitarrist und einem Keyboarder, der auch den Cellopart übernahm.

Das lyrische Ich seiner Texte gestaltet sich aus dem persönlichen Erleben. So können Sätze berühren wie „Ich werde der Furcht mein Beileid aussprechen“ im Titel „Condolence“ oder der beschwörende Text von „Cornerstone“, in der das lyrische Ich eine ärmliche Wohnsituation in einsamer Verzweiflung als steinernen Sarg und als Ergebnis vergeblicher Kommunikationsversuche erkennt. Sie haben überdies das Potenzial zu großartiger musikalischer Transformation.

Die stimmlichen Qualitäten Clementines von intimer Eindringlichkeit in den deskriptiven Sprechgesten, über kehlige sonore Rauheit bis hin zu flirrender Aggressivität in intensiver Falsetthöhe versprachen einzigartig gestaltete Momente. Auch ein überzeugendes Timing und interessante textmotivierte Klangbrüche konnten gehört werden. Die durch Modelle der klassischen Musik geprägten repetitiven Begleitmuster stehen in einem spannungsreichen Kontrast zum bisweilen zerklüfteten, jedoch immer authentisch wirkenden Gesangspart.

Benjamin Clementines Stimme ist wie ein ungeschliffener Rohdiamant. Alle gestalteten Momente vom energiegeladenen Sprechgesang, über seine von Tristesse getränkten Chansonfarben bis hin zu den lustvoll inszenierten Schlusstremoli scheinen aus der jeweiligen Situation heraus entwickelt zu sein. Sie lassen jedoch gelegentlich eine klangdramaturgische Einbindung in den jeweiligen Song vermissen. Die gleichsam improvisierende Herangehensweise ist in den Klavierversionen, speziell in den damit gekoppelten Studioproduktionen, angesichts der einnehmenden Stimmqualitäten Clementines ein zu vernachlässigender Faktor.

Spätestens jedoch in Kombination mit einer größeren Instrumentation wie der zum Stimmen-Festival sind weitreichendere Gestaltungs- und Koordinierungsfähigkeiten gefragt. Hier genügt es nicht, etwa einen an sich spannenden Wechsel zwischen Backgroundsängerinnen und Leadsänger immer wieder mit gleicher urwüchsiger Impulsivität zu animieren oder zu versuchen, die dichten Begleitmuster mit einem schmerzvoll dominanten Off-Beat in den Drums stimmlich noch zu toppen.

Nicht zuletzt litt die Textverständlichkeit der tatsächlich hörenswerten Botschaften durch eine beinahe durchgängige dynamische Übersteuerung. Dass Clementine dieses übertriebenen dynamischen Druckmittels nicht bedarf, konnte man in den Titeln mit Duo-Begleitung von Klavier und Violoncello oder auch in unbegleiteten Momenten ohne jegliche Mikrofonverstärkung ahnen.

Auch und gerade bei Fans, die Clementine bereits von seinen CDs „At Least for Now“ oder „I tell a Fly“ kannten, hinterließ so die Live-Begegnung mit ihm im Burghof einen eher zwiespältigen Eindruck.

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