Lörrach. Unter dem Motto „Ausfahrt statt Einbahnstraße“ fahren heute Abend wieder Lörracher Radfahrer durch die Stadt, um sich für ein besseres Miteinander der Verkehrsteilnehmer stark zu machen. Kristoff Meller sprach mit Daniel Mascher, der von Anfang an dabei ist und wie seine Mitfahrer gerne das Image des Protestfahrers ablegen möchte.
 
Herr Mascher, seit knapp einem Jahr radeln Sie einmal im Monat mit Gleichgesinnten durch Lörrach, um sich für die Rechte von Radfahrern einzusetzen - wie zufrieden sind Sie bisher mit der Resonanz? Hat sich die „Critical Mass“ etabliert?

 
Mascher: Ich möchte mich nicht nur für die Rechte der Fahrradfahrer einsetzen, sondern für eine Verkehrsstruktur, die für alle Verkehrsteilnehmer sicher ist. Jeder hat das Recht, am Verkehr teilzunehmen, aber nicht jedes Verkehrsmittel wird gleichberechtigt berücksichtigt.

Ich kenne nur die Resonanz der Teilnehmer, und die ist wirklich ausgesprochen gut. Ich würde es begrüßen, mehr kritische Stimmen und Mitfahrer kennenzulernen, nur so würden wir uns näher kommen und einen Dialog entwickeln können. Das klingt vielleicht absurd, aber die Critical Mass ist nicht dafür gedacht, Gräben oder Mauern zu errichten.

Es ist schön, Lörrach gemeinsam zu befahren und im Austausch zu sein. Die Aktion ist unterschiedlich stark besucht. Mein Fazit: Jede Fahrt ist anders und ein Gewinn für das Bewusstsein – bezogen auf den Verkehr, aber auch für das Gemeinschaftsgefühl.
 
Geht es dabei vor allem um lautstarken Protest oder was ist das Ziel?

 
Ein Slogan von uns ist: „Wir behindern nicht den Verkehr – Wir sind der Verkehr.“ Wenn ich Freunde, Familien und Bekannte in Lörrach darauf anspreche, bestimmte Fahrten mit dem Fahrrad zu bestreiten, ist die häufigste Antwort: Zu gefährlich, oder wenn ich keine Kinder hätte vielleicht. Das finde ich traurig. Eine Straße die übermäßig frequentiert ist, erlebe ich tatsächlich selbst manchmal als Wagnis. Das ist unbefriedigend.
 
Wie kann man etwas daran ändern?

 
Fakt ist, dass ein Radfahrer schneller als der Fußgänger und langsamer als das Auto ist. Das klingt so simpel, zeigt aber sehr gut auf, warum der Radfahrer sich schnell allein gelassen fühlt, wenn es um seine „Rechte“ geht. Er hat das gleiche Anrecht auf die Straßennutzung. Manchmal habe ich so meine Zweifel, ob das jedem Teilnehmer bewusst ist.

Vielleicht kann sich jeder mal in die Lage des anderen versetzen, wenn er dieses hier liest:  Viele Autos auf einer Straße im Stau ohne Radweg oder viele Fahrradfahrer auf der Straße ohne Radweg mit wenig Autos. Wer hat mehr „Recht“, den Platz für sich zu beanspruchen? Dumme Geschichte, oder?

Für was steht der Begriff Critical Mass?
 
Also wenn Sie mich fragen, für was die Critical Mass steht, kann ich nur sagen, die Autos erzeugen jeden Tag eine „Kritische Masse“ und die Critical Mass Lörrach nur jeden letzten Freitag im Monat für 30 bis 60 Minuten. Wir haben unseren Slogan auf dem Flyer geändert in „Ausfahrt statt Einbahnstraße“. Wir sind nicht gegen, sondern für einen fairen Verkehr.

Man hat schnell Vorurteile, wenn man nur seine Vorzüge berücksichtigt sehen möchte. Wir bemühen uns sehr, das Image von Protestfahrern loszuwerden, denn das ist nicht unser Ziel.
 
Wie wird die Aktion in Lörrach organisiert und wer steckt hinter „Ausfahrt statt Einbahnstraße“?
 
Es gibt eine kleine Gruppe, die sich dieses Projekt als Herzensangelegenheit auf die Fahne geschrieben hat. Ansonsten ist diese „Aktion“ nicht organisiert. Die Critical Mass lebt von den Menschen, die sie fahren, und es sind wirklich sehr tolle Menschen. Wer das einmal miterlebt hat, der sieht auch, dass wir keine „Spinner“ sind, oder radikale Ansätze verfolgen. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass wir eine Gruppe normaler Radfahrer sind. Interessant, oder?
 
Tut die Stadt Lörrach zu wenig, um den Radverkehr zu fördern?
 
Wer ist denn die Stadt? Das sind doch wir! Ich habe mehr und mehr Mühe, die Lösung bei den Anderen zu suchen, beziehungsweise zu erwarten. Na klar kann die Stadt mehr tun, wenn Sie die politischen Gremien meinen und auch die Stadtverwaltung. Was aber meist untergeht: Wir Bürger können auch etwas tun. Uns geht es wahrscheinlich einfach zu gut oder wir sind mit dem Alltag beschäftigt.

Das ist das gute Recht von jedem Einzelnen. Ich möchte das nicht werten, aber wie wir zusammen leben wollen, geht uns eigentlich alle etwas an. Die Stadt lebt von den Menschen, die sie bewohnen und eben auch befahren.
 
Bei vielen Autofahrern stoßen die Fahrraddemonstrationen gerade auf Hauptverkehrsstraßen auf wenig Verständnis, wie erleben Sie die Reaktionen?
 
Entschuldigung, wir sind keine Demonstranten, wir sind der Verkehr und benutzen die dafür vorgesehenen Wege. Das versuche ich doch zu erklären. Eine Hauptverkehrstraße ohne Radweg ist einfach ein Dilemma und nicht „Schuld des Radfahrers“. Würde dem Radfahrer eine Alternativroute angeboten, ohne die Stadt großräumig umfahren zu müssen, dann bin ich der Erste, der diesen Weg benutzen wird.

Ich fühle mich unwohl, wenn hinter mir gehupt wird, oder sogar mit einem gefährlichen Überholmanöver der Gegenverkehr und ich als Verkehrsteilnehmer gefährdet werde. Es mag sein, dass ich in diesem Moment anderen „im Weg bin“, aber so lange wie dafür keine Lösung erarbeitet wird, bleibt dieser Konflikt bestehen.
 
Und welche Problembereiche für Radler besuchen Sie heute Abend?
 
Ich weiß es nicht. Wir sind letztes Mal auch Straßen gefahren, wo mit Hilfe der IG Velo und dem städtischen Fachbereich Straßen, Verkehr und Sicherheit bereits  positive Veränderungen stattgefunden haben. Auch Ideen, die zukünftig Realität werden könnten, möchten wir den Mitfahrern nicht vorenthalten. Wenn Sie einen Vorschlag hätten für eine Route, ich bin dabei.

Die nächste „Critical Mass“ findet am heutigen Freitag, 28. August, statt. Treffpunkt ist um 18 Uhr an der Velö Einstellhalle. Mehr Infos: www.critical-mass-loerrach.de